Schirm & Chiffre
: Für Zapping-Terroristen

■ Medien in Berlin: One For All ist der heimliche Hit der IFA

Für uns, die wir auf der Couch sitzen, ist Fernsehen das, was für unsere Vorfahren das Feuer war. Während letzteres seine kulturstiftende Kraft längst verloren hat, ist die Dominanz der Television im Alltag und auf den Märkten der Unterhaltungsindustrie ungebrochen. Auch wenn Kommunikationswissenschaftler bereits die Post-TV-Ära einläuten und die Internationalen Funkausstellung sich alle Mühe gab, die diesjährige Schau zur Multimediamesse aufzubauen – ein Spaziergang durchs ICC belehrt uns eines Besseren. Die Hallen bersten vor TV-Apparaten.

Auch die Fernsehsender haben an jeder Ecke ihre Zelte aufgeschlagen: „Und hier ist er: Max Schautzer!“ Im Gegensatz zu den leibhaftig Anwesenden können die Zuschauer zu Hause jetzt umschalten. Die Möglichkeit, das Programm zu wechseln, macht das Fernsehen bereits zu einer interaktiven Technologie. Diese Interaktion mit dem Gerät ist essentiell, aber gleichzeitig so selbstverständlich, daß wir sie gerne ignorieren. Auch Fernseher wollen bedient werden, und da wir uns auf der Couch befinden, wurde eine interaktionsfreundliche Fernbedienung erfunden. Mit der Explosion der Kanäle erhielt die Remote Control eine weitere, fast noch wichtigere Funktion: Mit ihr läßt sich blitzschnell durch die Kanäle zappen und bequem von einem Programm zum anderen hüpfen. Sie erhöht also auch die Interaktionsrate um ein Vielfaches.

Damit ist die Fernbedienung eines der am weitesten verbreiteten interaktiven Werkzeuge. In den letzten Jahren wurde aus dieser Interaktionshilfe allerdings ein Problem, da sich auf den Wohnzimmertischen eine stetig wachsende Armada verschiedenster Fernbedienungen zu tummeln begann. Eine für den Fernseher, eine für den Videorecorder, eine für den CD-Player usw.

Der heimliche Hit der IFA ist daher eine Fernbedienung für verschiedenste Geräte, die alle anderen überflüssig macht und dem Zapper zu Hause das Gefühl der Kontrolle über seinen Maschinenpark zurückgibt. Dieses fundamentale Werkzeug mit dem einleuchtenden Namen One For All kann in der Luxusausführung acht Geräte steuern, darunter Kassettenrecorder und Satellitenempfänger, allerdings keine Garagentore. Der Hersteller garantiert, daß wirklich alle Geräte mit ihr manipuliert werden können. Sollte die kleine Infrarotmaschine einmal ein Gerät nicht erkennen, läßt sich One For All über eine Telefonhotline programmieren. Der Bezug per Teleshopping stellt sicher, daß die hartnäckigsten Couch-Potatoes unter uns ihr Wohnzimmer auch für den Kauf dieses Produktes nicht verlassen müssen.

Ein weiteres existentielles Problem, das Fernbedienungen mit sich bringen, war bis jetzt nur sehr wenigen Menschen bewußt: Was tun, wenn das Telefon klingelt, während der Fernseher auf voller Lautstärke läuft und die Fernbedienung wieder mal zwischen den Sitzpolstern abgetaucht ist? Grundig offeriert jetzt eine elegante Lösung. Ein schnurloses Telefon, das die wichtigsten Funktionen einer Fernbedienung enthält, vor allem also einen Lautstärkeregler.

Eines haben die Hersteller allerdings nicht bedacht: Jede neue Technologie ruft kreative Menschen auf den Plan, die sie unter Mißachtung der Gebrauchsanweisung für völlig andere Zwecke mißbrauchen. Nach den Hackern gerieten vor einiger Zeit junge Medienterroristen ins Visier der Öffentlichkeit, die, aus dem Fenster gelehnt, mit ihren Fernbedienungen auf die Geräte der Nachbarn zielten. Mit One For All ist die letzte Hürde genommen, die ihnen allzuoft den Spaß verleidete – die Inkompatibilität der verschiedenen Geräte. Ulrich Gutmair