Betonkopfmanier

■ betr.: „In der City eine Wiese mit Bächlein“, taz vom 23. 8. 1995

Die Sitzung des Bauausschusses des BA Charlottenburg vom 22.8. d.J. war trotz der zu erwartenden Spannungen eine sachlich geführte, demokratische Auseinandersetzung. Herr Kollhoff und Herr Rasch erhielten sehr ausreichende Redezeit, den Stadtplatzentwurf mit Riegelbebauung und das dazugehörige Nutzungskonzept vorzustellen. Während dieser langen Ausführungen rannte niemand hinaus und rief auch niemand dazwischen. Den Anwohnern wurde, mit Hinweis auf die knapper werdenden Redezeiten, ein Rederecht eingeräumt, welches inhaltlich durch die Ausführungen einer Klimaforscherin und der Darstellung des Alternativentwurfes von Baller & Baller gefüllt werden sollten.

Den benannten Fakten zum Bio-Klima der westlichen Innenstadt wurden lediglich zynische Bemerkungen seitens des Investors (Vertreter: Herr Rasch) und der SPD-Fraktion (namentlich, Herr Scharck) entgegengebracht. Der Antrag der SPD, sich nicht mit dem Baller-Entwurf zu beschäftigen, wurde bei Stimmengleichheit abgelehnt. Daraufhin verließen die Architekten, der Vertreter des Investors und einige Abgeordnete der SPD-Fraktion den Saal. Offensichtlich fürchteten die flüchtenden Kenner des Alternativentwurfs die Auseinandersetzung mit einem Konzept des behutsamen, ökologischen Stadtumbaues.

Die Art und Weise wie Sie, Herr Lautenschläger, Herrn Baller diffamieren, paßt so gar nicht in das basisdemokratische Outfit der taz, das sich bisher dadurch hervortat, Minderheiten zu unterstützen und couragierte Initiativen durch faire Berichterstattung zu begleiten.

Dann hätten Sie nämlich berichten müssen, daß Herr Baller in bemerkenswert souveräner Manier die Bedeutung der Bürgerbeteiligung beim Städtebau mit Hinweis auf die Gepflogenheiten im angelsächsischen Ausland referierte, um danach ebenso sachlich wie treffend das Rahmenkonzept seines Entwurfs vorzustellen. Im Zentrum dieser Planung steht nicht die Wiese mit Bächlein, wie Sie es in der Überschrift behaupten, sondern die Rondell-Bebauung, die neben der Gewährleistung des geforderten Nutzungsmixes von Gewerbe, Wohnungen, Kita und Stellplätzen noch den lärmgeschützten Stadtgarten mit der Öffnung zu den Höfen ermöglicht.

Übrigens hat die Anwohnerinitiative mehrfach versucht, mit Hans Kollhoff ins Gespräch zu kommen. Dieser hat es bisher stets abgelehnt!

Angesichts Ihres polemischen und teilweise unwahren Artikels bestreite ich Ihre Anwesenheit während der Sitzung. Ich hätte gerne gewußt, wer Ihnen die Feder geführt hat. [...] Bernd Sörensen

Anm. der Redaktion: Natürlich war unser Autor bei der Sitzung anwesend.

[...] Der Kollhoff-Bebauungsplanentwurf wird als Aufwertung des Parkplatzes dargestellt, während Ballers Gegenentwurf ganz nach Betonkopfmanier lächerlich gemacht wird – „eine Wiese mit Bächlein in der City“.

Noch zu keinem Zeitpunkt stellte die taz die katastrophalen Auswirkungen des Kollhoff-Entwurfes dar:

Versiegelung des gesamten Platzes, immense Verdichtung und damit weitere Verschlechterung des Innenstadtklimas, eine Kita mit Freifläche im 8. Stockwerk, über welches gleichzeitig die Luft aus der Tiefgarage abgeleitet wird, Verschattung von 36 Wohnungen, ein öffentlicher Spielplatz in einer völlig verschatteten Innenhofschlucht.

Das sind schon merkwürdige Zeiten, in denen CDU-Politikern solche Probleme zugänglicher sind als taz-Journalisten! Annette Schwarzenau,

Stadträtin für Gesundheit und

Umweltschutz, Charlottenburg

Ihr Artikel in der taz über den Parkplatz zwischen Wieland- und Leibnizstraße ist vielleicht mäßig witzig, vor allem aber dumm. Ich hätte mir gewünscht, daß wenigstens in Ihrem Kopf „Vernunft“ vorhanden ist. Oder war das ein Gefälligkeits-Artikel für SPD/ Dyckhoff, um deren Abstimmungsniederlage in der Charlottenburger BVV zu verhindern? Das wäre allerdings eine Schweinerei von der taz!

Was Sie nach „elf Jahren Planungshickhack“ anscheinend immer noch nicht mitbekommen haben: hier wehren sich Bewohner gegen eine Bauplanung, die die Zerstörung unseres Wohnviertels durch Gewerbebebauung vorantreibt. Ich halte Ihnen zugute, daß Sie weder den Parkplatz noch die Pläne von Kollhoff kennen; denn der Parkplatz wird nicht wie von Ihnen gehofft „städtisch definiert“ (?), sondern betoniert! Mit einem Nutzungsprogramm, das sich vor allem für die Bauherren sehen lassen kann: die Wohnungen machen 30 Prozent und die Kita 6 Prozent der geplanten Fläche aus, also 64 Prozent Gewerbefläche! Und das in einer Gegend, wo schon jetzt Gewerbe Wohnungen frißt!

Auch Ihr Vorschlag, Herr Kollhoff und die Anwohner sollten sich an einen Tisch setzen und sich über Bilder von Stadtplätzen unterhalten, zeigt, wie wenig Sie wissen: denn das hat ja schon längst stattgefunden! Herr Kollhoff hat hier in der Schule in der Sybelstraße Dias von wunderschönen Stadtplätzen zum Beispiel in Italien gezeigt, und ich sag' Ihnen, was passiert ist: alle haben gelacht! Denn sein geplanter Stadtplatz ist einfach nur scheußlich, vermutlich würde ihn jede italienische Stadt wegjagen, wenn er dort so etwas bauen wollte.

Und genau das würde ich auch gerne: Koll-Dyck-Hoff davonjagen und hier auf dem Parkplatz etwas entstehen sehen, womit und wo wir leben können. Michael Mertens

Warum verfällt auch R. Lautenschläger dem bornierten Denkschema der SPD-GenossInnen, wer den Kollhoff-Plan ablehne, sei ein kita- und wohnungsfeindlicher Parkplatzfan? Gerade diese Borniertheit, die die Köpfe der BefürworterInnen blockiert, durch einen konstruktiven Vorschlag aufzubrechen und der BVV endlich eine qualifizierte Debatte zu ermöglichen, ist Anliegen der Initiative. Ist das so schwer zu begreifen?

Hat R.L. gar den Entwurf von Baller in Dyckhoffs Stadtplanungsamt nicht einmal zu Gesicht bekommen, oder gibt er mit seiner Gegenüberstellung von „finanzierter Kita und Wohnungsbauförderung“ versus „Wiese mit Flüßchen“ bewußt eine demagogische Fehlinformation weiter?

Wie lange noch läßt die taz sich dermaßen zum Sprachrohr von SPD und Investoren instrumentalisieren?

Statt den Anwohnern eine Plauderei mit Hans Kohlhoff über „Bilder von Stadtplätzen“ zu empfehlen, ist R.L. schleunigst ein Krisengespräch mit seinen taz-KollegInnen über den hausgemachten Abonnentenschwund anzuraten. Cornelia Biermann-Gräbner,

Fraktionsvorsitzende B 90/

Die Grünen Charlottenburg

Nun haben wir es schriftlich: Die taz betreibt Hofberichterstattung für die Charlottenburger SPD. Das ist an sich noch nichts Ehrenrühriges. Wenn aber die jahrelangen Bemühungen der Anwohnerinitiative „Wieland-/Leibnizstraße“ um einen ökologisch- und stadtverträglichen Platz ins Lächerliche gezogen werden, wenn eine Kita im 8. Stock auf dem Dach mit Gitterkäfig (Kollhoff) einer ebenerdigen Kita mit grüner Spielfläche (Baller) vorgezogen wird, wenn ein Wohnanteil von 70 Prozent plus Park und Spielplatz (Baller) dargestellt wird, tja, dann fragt sich die/der ratlose LeserIn, was aus dem alternativen Anspruch der taz geworden ist.

Mein Vorschlag: Betoniert Abenteuerspielplätze, und macht Parkanlagen zu Autobahnen, damit wir zur „echten“ Weltstadtmetropole aufsteigen! Thomas Birk

(Geschäftsführender Ausschuß

B 90/Die Grünen Charlotten-

burg)