Abschied von der Verkehrsberuhigung

■ Umweltsprecher aller Parteien im taz-Öko-Test / CDU und SPD werfen bei der Verkehrsberuhigung das Handtuch

Egal, welcher Partei Umweltpolitiker angehören: An Ideen, wie man Energie spart, Luft reinigt, den Wasserverbrauch senkt und Verkehr sinnvoller gestaltet, mangelt es keinem jemals. Auch nicht am vergangenen Mittwoch abend im Haus der Demokratie, als taz- Umweltredakteur Hermann-Josef Tenhagen die Sprecher aller fünf im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien auf einen imaginären „heißen Öko-Stuhl“ setzte. Dort testeten die Grüne Liga, die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) und der BUND jene fünf auf ökologische wie verkehrspolitische Kompetenz.

Bei den Vorschlägen zur Lösung von Umwelt- und Verkehrsproblemen zeigten in wesentlichen Punkten CDU und FDP einerseits sowie SPD, Bündnisgrüne und PDS andererseits die größten Gemeinsamkeiten. In einem unterschieden sich allerdings alle kaum voneinander: Mit ihrer Unzahl von Detailvorschlägen, wie etwa Öfen abzuschaffen, eine Solaranlage für jede neue Wohnung vorzuschreiben oder mehr Energie zu sparen, vergaßen sie häufig den Blick für das Ganze.

Tatsächlich nämlich hat die Große Koalition von dem wichtigsten Umweltziel, der Erde nicht mehr so stark einzuheizen, Abschied genommen. So will der Senat den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid in den kommenden Jahren nicht mehr, wie früher verkündet, um die Hälfte reduzieren, sondern nur noch um ein Achtel. Der umweltpolitische Sprecher der SPD, Holger Rogall, sein Koalitionskollege Uwe Goetze (CDU) und Peter Tiedt (FDP) wußten dagegen aber keine Abhilfe. Hartwig Berger (Bündnis 90/Die Grünen) und Eva Müller (PDS) hatten immerhin einen Vorschlag: nach den Wahlen am 22. Oktober die Regierung zu wechseln.

Mit Ehrlichkeit überraschte Sozialdemokrat Rogall bei Fragen zum Verkehr. Die Große Koalition werde es nicht schaffen, daß in Innenstadtbereichen tatsächlich bei vier von fünf Wegen das Auto stehengelassen wird, sagte er. Obwohl der Senat bislang nicht von diesem offiziellen Ziel abgerückt ist, meinte auch CDU-Goetze, daß eine Aufteilung von 80 Prozent öffentlichem Nahverkehr zu 20 Prozent Auto wohl nur am Potsdamer Platz, in der Friedrichstraße oder in der Straße Unter den Linden realistisch sei.

Der Bündnisgrüne Berger nutzte den „heißen Stuhl“ natürlich, um Ziele einer rot-grünen Koalition zu formulieren. Seine Partei sei gegen einen Großflughafen in Sperenberg, wolle Autofahrer für den Ausbau der BVG zur Kasse bitten sowie Pläne für neue Autobahnen und Straßentunnel kippen. Bei der SPD sehe er aber gerade in diesen Punkten noch „erheblichen Lern- und Veränderungsbedarf“. Den jedenfalls zeigte Rogall auf der Veranstaltung: Er kündigte an, daß die SPD auf den Bau der U5 und den Transrapid zwischen Hamburg und Berlin verzichten wolle. Dirk Wildt