■ Fortschritt im Schritt
: Der „Borghuis“-Slip

Amsterdam – Frauen können jetzt bis zu fünf Mark im Monat weniger ausgeben und den Klärwerken jede Menge unerfreuliche Wasserbeimengungen ersparen. Davon ist die niederländische Physiotherapeutin Marion Borghuis überzeugt. Die 41jährige Mutter von drei Kindern hat in nur zwei Jahren eine völlig neuartige Damenunterhose entwickelt. Nachdem die niederländische Tagespresse euphorisch über den „Borghuis-Slip“ berichtete, sind in den letzten Tagen Hollands Unterwäschegeschäfte von Borghuis-Slips suchenden Frauen gestürmt worden.

Die Borghuis-Slip-Fans müssen sich aber noch eine Weile gedulden. Der beauftragte Textilproduzent „Ten Cate“ ließ sich zwar davon überzeugen, das Wäschestück auf den Markt zu bringen, allerdings erst im Herbst. Das neue Teil soll um die 20 Gulden (16 Mark) kosten, etwas teuerer als normal.

Das Geheimnis der Damenunterhose von Marion Borghuis sitzt im Schritt. Die Physiotherapeutin fand heraus, daß handelsübliche Damenslips einen Konstruktionsfehler haben. Ihr eigener Slip saß anatomisch nicht gut, vor allem im Schritt, wo Urin und Scheidenausfluß auf eine einzige Lage Stoff treffen. „Wo ein Extraschutz nötig ist, sitzt nur eine dünne Lage, weshalb Frauen Slipeinlagen kaufen – mit allen sich daraus ergebenden gesellschaftlichen und medizinischen Nachteilen.“

Die von der Industrie aggressiv beworbenen Slipeinlagen waren immer schweißig, „besonders im Sommer“, ärgerte sie sich. „Mich irritierte auch als Mutter, daß die Industrie auf so penetrante Weise versucht, meiner Tochter und anderen junge Mädchen die ultradünnen Slipeinlagen aufzuschwatzen.“ Die Dinger seien ungesund und umweltverschmutzend – ganze Kläranlagen würden von Slipeinlagen verstopfen. „Außerdem ist Ausfluß und Urinverlust so normal wie der Speichel im Mund, Männer verlieren auch Urin und machen sich aber keinen Streß damit.“

Borghuis machte die Erfahrung, daß Slipeinlagen von vielen Frauen nicht als bequem, sondern brutwarm (das heißt günstig für Bakterien), schweißtreibend und juckreizerweckend empfunden würden. „Trotzdem wird immer mehr dafür geworben. Allein in den Niederlanden gebrauchen drei der fünf Millionen Frauen Slipeinlagen.

Der Markt dafür hatte 1994 einen Umfang von 153 Millionen Gulden (137,7 Millionen Mark), mit einer für 1995 geschätzten Steigerungsrate von 12 Millionen Gulden (10,8 Millionen Mark)“, fand Marion Borghuis heraus. Sie fordert daher, daß die Mädchen im Schulunterricht über die Nachteile der Slipeinlagen aufgeklärt werden.

Der Borghuis-Slip ist genial einfach gebaut: „Ich habe den Schritt verlängert und vorn nach oben gezogen, darin ist nun eine bequeme, doppelte Baumwolleinlage.“ Die Erfinderin befragte in einem Slip- Feldversuch 142 Frauen zwischen 11 und 78. 70 Prozent davon regelmäßige SlipeinlagenträgerInnen. Im Gegensatz zu den TV-Reklame-Frauen hat die Mehrheit der „echten Frauen“ kein trockenes und schönes Gefühl: Nur vier Prozent waren zufrieden, zehn Prozent fanden es „trocken“ und nur elf Prozent hygienisch genug. Dagegen empfanden 59 Prozent einen Juckreiz und eine den Bakterienwuchs fördernde Feuchtwärme, 47 Prozent hatten das Gefühl, irgendwas ist da schweißtreibend. Die Slipeinlagen wurden mehrheitlich als „zu dünn und zu kurz“ bezeichnet.

Im Detail: „Durch Slipeinlagen spürt man die Feuchtigkeit weniger, die Beckenmuskeln interpretieren dieses Signal leider falsch. Sie verlieren unbewußt an Spannung – und der weibliche Körper dadurch an Urin.

Der Borghuis-Slip würde den Frauen nicht nur die Kontrolle über die Beckenmuskeln zurückgeben, er verschaffte der überwiegenden Mehrheit der gleichen Testgruppe von 142 Frauen auch ein angenehmeres Gefühl. Die Urteile gingen von „fängt alles gut auf“ (52 Frauen), „ich habe mich ohne Slipeinlage trocken, sicher und schön gefühlt“ (52), der Borghuis-Slip sei „schön weich“ (51), „sehr schön zum Fahrradfahren und Sport treiben“ (6); 39 Frauen flehten regelrecht „bitte gleich auf den Markt bringen!“ Diese Frauen werden den Slipeinlagenmarkt trockenlegen.

„Nicht, daß Slipeinlagen nun völlig aus dem Verkehr verschwinden“, meint Marion Borghuis, „vor und nach der Regel sind sie normal. Es ist aber purer Unsinn, daß die Dinger jeden Tag zu tragen seien.“ Frau Borghuis erwartet, daß ihre Unterhose den Markt der Slipeinlagen halbiert – zum Ärger des Slipeinlagengiganten Procter & Gamble. Falk Madeja