Die torlose Techniker-Elf ist auf dem richtigen Weg

■ Beim 0:0 gegen Leverkusen dürfen die Mönchengladbacher Zuschauer einen Kurzzeit-Tabellenführer und einen veritablen Meisterkandidaten bestaunen

Mönchengladbach (taz) – Ja! Konnten nach dem finalen Flötenton von Pfeifenmann Edgar Steinborn die 31.600 Bökelberg-Besucher resümieren. Ja, sie hatten gerade der Geburtsstunde eines ernsthaften Meisterschafts-Konkurrenten der mancherorts ungeliebten Bayern beiwohnen dürfen. Nein! Mußten sie allerdings neugierige Nachfrager enttäuschen, die heimische Borussia meinten sie damit leider nicht. Auch wenn diese durch das torlose Unentschieden nach sieben langen Jahren wieder für kurze Zeit Tabellenführer geworden war – die offenen Münder, die warmgeklatschten Handteller, die spitzen Begeisterungsschreie hatten in erster Linie die Gäste aus Leverkusen provoziert.

Einer von ihnen, vor Wochen noch im Leibchen des Gegners Pokalsieger geworden, sorgte schon vor Spielbeginn durch pures Warmlaufen für den ersten Szenenapplaus. Den Neu-Leverkusener Fach bedachte die Gladbacher Nordkurve mit warmen „Holger!“-Rufen. Der solcherart Empfangene winkte freudig erregt zurück und gestand hinterher, die Rückkehr an die alte Wirkungsstätte sei „nett“ gewesen und habe ihm „Riesenspaß“ gemacht. Hätten er und seine Defensiv-Kumpane Happe und Münch indes die Konfusion der Anfangsviertelstunde beibehalten – es wäre statt Riesenspaß eine Riesenblamage geworden. Hochstätter und Effenberg, Dahlin und Pflipsen spazierten so spielerisch durch die hinteren Leverkusener Reihen, daß der Borussen-Anhang mit „Über Bayer fahr'n wir nach Berlin“-Chorälen die Pokal-Weichen schon mal auf Weiterkommen stellte.

Doch die Gesänge verstummten bald. Gladbachs Neu-Sturm, mittels „Who the fuck is Herrlich“- Staccato motiviert, ging zusehends die Düse. Auch fischte Vollborn- Verdränger Heinen sich die unmöglichsten Bälle und nahm die am Bökelberg seit dem Bundesligaaufstieg sieglose Bayer-Belegschaft plötzlich die Produktion auf. Der so oft gescholtene Lupescu spielte in Abwesenheit eines ansonsten dafür zuständigen blonden Engels einen superben Ballverteiler. Paulo Sergio, zuvor von einem schmusigen Sternkopf händchenhaltend vor dem kartenkundigen Referee in Schutz genommen, trainierte auf der linken Seite gegen einen bemitleidenswerten Hoersen für die olympischen Sprintwettbewerbe von Atlanta. Und Rudi Völler bewies im Duell mit dem gewiß nicht schwachen Klinkert, daß die Bobics und Zicklers und Labbadias dieser Welt gegen ihn nicht anstinken können: Er war der überragende Mann auf dem Platz, war torgefährlich, technisch beschlagen, nimmermüde und vorbildlicher Kapitän.

Nur erfolgreich war er nicht. Ein Ball küßte den Pfosten, ein anderer hoppelte haarscharf am Kasten vorbei, ein dritter wurde glückliche Beute des Bundesliga-Debütanten und Kamps-Vertreters Kaessmann. Der einstige Keeper der Hessen-Auswahl konnte sich an seinem Einstand erfreuen, weil auch Sergio nur Alu traf, der starke Tolkmitt und Lehnhoff nicht genau zielten und der blasse Kirsten auch die präzisesten Chagas-Flanken verbaselte. Also war Kaessmann „zufrieden“. Es war dies ein Befinden, das am Ende trotz deutlicher Überlegenheit der Gäste beide Trainer teilten. Erich Ribbeck sprach zwar von „zwei verlorenen Punkten“, glaubt seine Techniker-Elf aber hoffnungsfroh „auf dem richtigen Weg“. Und auch Kollege Krauss grämte sich nicht. Und das, obwohl zum siebten Mal in Folge daheim nur ein Remis rausgesprungen war. „Die Zuschauer können nicht erwarten“, sprach Krauss weitsichtig, „daß wir fortan jeden Gegner mit einer Niederlage nach Hause schicken.“ Holger Jenrich

Mönchengladbach: Kaessmann - Hoersen, Klinkert, Andersson, Neun - Effenberg (66. Kastenmaier), Hochstätter, Pflipsen, Wynhoff - Sternkopf, Dahlin (79. Huiberts)

Leverkusen: Heinen - Fach - Happe, Münch - Rodrigo, Lehnhoff, Lupescu, Tolkmitt (77. Feldhoff), Sergio - Kirsten, Völler

Schiedsrichter: Steinborn (Sinzig)