Sie tragen keine Briefe aus

Mit ihrem Schritt zum Halbprofitum werfen die Fußballerinnen von Meisterin FSV Frankfurt DFB-Präsident Braun den Fehdehandschuh hin  ■ Von Matthias Kittmann

Frankfurt (taz) – Sie ist 17 Jahre, und im Mittelpunkt zu stehen ist ihr „peinlich“. Sie hat in 17 Bundesligaspielen 17 Tore geschossen und auch in der Nationalmannschaft fast auf Ansage getroffen. Sie sagt undiplomatisch, was sie denkt, „denn ich hasse Heuchelei“. Sie sieht sich „als nichts Besonderes“, und doch ist sie es, nicht nur wegen ihrer Tore. Birgit Prinz vom „Alles“-Gewinner FSV Frankfurt entspricht dem stromlinienförmigen DFB-Einheitstyp überhaupt nicht. Und jetzt verdient die neue Vorzeigekraft des deutschen Frauenfußballs auch noch mit dem Fußballspielen Geld. Der japanische Sportartikelhersteller Asics fand die Ecken und Kanten der Frau Prinz so interessant, daß er sie nun für eine gute fünfstellige Summe unter Vertrag genommen hat.

Dies ist eine Premiere im deutschen Frauenfußball. Denn die Werbepartner einer Heidi Mohr oder Martina Voss waren immer zugleich auch die Hauptsponsoren von deren jeweiligem Team. Der Kontrakt läuft zunächst ein Jahr bis zu den Olympischen Spielen in Atlanta, an denen erstmals Kickerinnen teilnehmen. Falls die deutschen Vizeweltmeisterinnen da halbwegs erfolgreich abschneiden, dürfte der Marktwert von Birgit Prinz und Kolleginnen weiter steigen.

Das war vor einem Jahr noch anders. Bevor nicht die letzten Briefe ausgetragen waren, konnte kein Training beginnen. Die Frauen des FSV Frankfurt (und einiger anderer Clubs) haben zwar auch bislang schon mit professionellem Aufwand trainiert, aber ihr Geld mußten sie mit anderen Tätigkeiten verdienen. Das ist jetzt vorbei: „Bei der Post muß jetzt keine mehr arbeiten“, sagt Jürgen Strödter, der Trainer und Macher des FSV. Es klingt fast ein bißchen revolutionär für den Frauenfußball, „aber endlich kann ich meine Spielerinnen halbwegs für den hohen sportlichen Aufwand entschädigen, den sie betreiben“. Die hundertprozentige Titelausbeute (Meisterschaft, Pokal, Super-Cup und Hallen-Masters) des FSV im letzten Jahr hat nicht nur Erwartungen geweckt, sondern die Clubs auch in die Lage versetzt, diese zu erfüllen. „Meine Spielerinnen sind jetzt Halbprofis.“

Was der Mann so gelassen ausspricht, kann jedoch eine höchst explosive Wirkung haben. Mit dem Fußball Geld verdienende Frauen passen dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und seinem Präsidenten Egidius Braun überhaupt nicht ins Weltbild. Fürs Verdienen sind die Männer zuständig. Für den hehren Amateurgedanken die Frauen. Was nun tun? Der DFB hat sich selbst die Hände gebunden. Die Bundesliga-Spielerinnen sind nach den Statuten Vertragsamateure. Das ist eine Konstruktion, die der Verband geschaffen hatte, um den männlichen Kickern unterhalb der beiden Bundesligen die legale Möglichkeit zum Verdienen zu geben. Nun kann er selbiges den Frauen schlecht verweigern. Oder doch? Selbst die ohnehin bescheidene Prämie von 5.000 Mark für den EM-Titel im Mai diesen Jahres hat der DFB bisher versäumt, an die Nationalspielerinnen zu überweisen.

Der Rahmen für Vertragsamateure ist weit für den, der es sich leisten kann. Der FSV Frankfurt kann es. Mittlerweile. Der zugegebene Etat von mindestens 500.000 Mark ist Rekord. Manch anderer Club hat nicht mal ein Fünftel davon zur Verfügung. Allein die diversen Titel spülten 157.000 Mark in die Kasse, und mit dem Markenzeichen „Ball-Artistinnen“ können die Überflieger vom Main die Antrittsgelder für Show-Spiele selbst bestimmen. Auch der Hauptsponsor Lavazza, ein italienischer Kaffeeröster, hat noch mal draufgesattelt. War das Engagement für die Kickerinnen der Deutschland-Filiale anfangs noch etwas peinlich, hat sie nun die Erfolge längst stolz der Zentrale in Turin gemeldet.

Neben Prinz können auch andere Nationalspielerinnen des FSV mittlerweile mit ihrem Namen werben. „Ich muß eigentlich kaum noch nebenher arbeiten“, sagt Torfrau Katja Kraus, die ob ihrer langen schwarzen Haare und ihrem eleganten Outfit gerne von Fitneß-Studios oder Versicherungen für PR-Maßnahmen gebucht wird.

Mit Juliane Strohmann hat der FSV Frankfurt eine Marketing- Expertin engagiert, die an der Präsentation des Teams gegenüber Öffentlichkeit und Wirtschaft feilen soll. Sie will ein Konzept erarbeiten, „in dem wir den Frauenfußball nicht mehr als Mauerblümchen darstellen, der über seine mangelnde Akzeptanz jammert, sondern die Leistungen offensiv hervorheben“.

Es geht voran, doch zu vermuten ist: Das wird ein langer Weg werden. Zu den Spielen des FSV nämlich kommen selten mehr als 300 ZuschauerInnen. Zwei Bundesliga-Spieltage sind absolviert, auf dem Konto stehen ein 10:1 und ein 8:1. Konkurrenz im Süden ist weniger in Sicht denn jemals zuvor. „Die sind einfach zu gut“, glaubt Michael Dämgen, der Trainer der gerade aus der 2. Liga abgestiegenen Männer des FSV. In Wahrheit sind die anderen nicht gut genug.