Point 'n' Click
: „Sie sind die Nummer 9!“

■ Sequel-Mania auch bei Computerspielen – zum Beispiel „Simon The Sorcerer 2“

Der Scherzartikelhändler, in dessen Laden Simon eine Stinkbombe erwerben muß, die er benötigt, um das Teilnehmerfeld des Magiewettbewerbs zu lichten (und die er nicht ausgehändigt bekommt, weil eine wichtige Stink- Zutat fehlt, die er erst noch besorgen muß), ist auch schon ganz verwirrt: Als unser Held, immer in der Hoffnung, er könnte etwas vor Ort übersehen haben, zum wiederholten Mal mit den Worten „Hallo, ich bin zurück“ im Scherzladen aufkreuzt, erwidert der Händler zerstreut: „Ist dies schon der dritte Teil?“ Nein, erst das zweite Simon-Adventure, aber wer mag schon den Überblick behalten in einem Genre, das von Anfang an auf die Lust der puren Folge angelegt war.

Computerspiele treiben die aus der Filmindustrie bekannte Sequel-Manie auf die Spitze. Jedes auch nur halbwegs erfolgreiche Game geht zugleich in Serie: King's Quest 7, Space Quest 6, Ultima 8, Larry Laffer 6, Wing Commander 3, Doom 2... Eine leicht durchschaubare Marktstrategie also? Aber ist der Computer nicht sowieso eine reine „Continue“- Maschine, der Fortsetzung-folgt- Betrieb ergo vom Medium selbst diktiert?

Der Universalrechner kann grundsätzlich nur eines: addieren. Im Herzstück eines Computers, der CPU, werden immer nur Zwischensummen gebildet, Zahlenwerte eingelesen, miteinander verknüpft, weitergegeben. Dieses Prinzip der permanenten Akkumulation schreibt sich noch der ausgefeiltesten Multimedia-Software ein. So organisieren Computer-Adventures ihre virtuellen Spielwelten letztlich als kausale Ereigniskette, als Abfolge von Rätselaufgaben, die es schrittweise zu bewältigen gilt. Eine Vielzahl aneinandergereihter Episoden, Situationen, Welteffekte summiert sich zum narrativen Kontinuum.

Der Spaß bei einem Adventure wie „Simon The Sorcerer“ speist sich nicht zuletzt aus der ironischen Kommentierung dieses zugrundeliegenden Strickmusters, das immer neue Versionen immer derselben Geschichte erstellt: Jeder Folgeteil versteht sich gewissermaßen als Update eines – im Fluß der Fortsetzungen längst unauffindbaren – Originalentwurfs! „Warte nur bis zum nächsten Spiel, Junge! Wir kommen wieder!“ rufen die coolen Dämonen-Halbstarken Simon hinterher, nachdem er sie – wie im ersten Teil – elegant ausmanövriert hat. Das Sequel scheint hier die einzige Funktion zu haben, die Wartezeit bis zum nächsten Nachschlag auszufüllen.

Bereits die Grundidee von „Simon 1“ war ebenso pfiffig wie dreist von einem andere Genre- Highlight, „The Secret of Monkey Island“, entlehnt: Jugendlicher Held wird in parodistische Fantasy-Parallelwelt gebeamt und will dort unbedingt richtiger Zauberer/richtiger Pirat werden. Tatsächlich spielt sich „Simon 2“ wie der pointenreiche Anmerkungsapparat zu „Simon 1“ (und allen korrespondierenden Adventures). Auf Schritt und Tritt stolpert der Held über Bekannte: Die Frage, was man seit dem letzten Spiel so erlebt habe, wird zum wiederkehrenden Small-talk- Thema. Alles ist – ironisch gebrochenes – Zitat; betritt Simon die Höhle der drei Gewitterhexen, befürchtet er als erstes: „Ist das wieder eine dieser altmodischen griechischen Sagen?“

Die deutsche Synchronisation des extrem dialoglastigen, um nicht zu sagen: hemmungslos verquatschten Games hat saubere Arbeit geleistet; nur die absolut unverständlichen Anspielungen des genuin britischen Produkts wurden schonend auf deutsche Verhältnisse übertragen (Witze über Thomas Gottschalk, Otto, Andy Möller), zahlreiche auch obskure Insiderscherze blieben erhalten – ein Schalterbeamter zu Simon: „Sie sind die Nummer 9!“ Simons emphatische Replik: „Ich bin keine Nummer. Ich bin ein freier Mann!“ (Genau, Patrick McGoohan im Vorspann von „The Prisoner“, der englischen TV-Serie aus den Sixties.) „Simon 2“ ist stets offen für jede andere Geschichte: Einmal tapert der Held in eine einsame Blockhütte, wo sich Rollenspieler versammelt haben, um sich das Wochenende statt mit „Dungeons & Dragons“ – wovon sie im normalen Fantasy-Parallelwelt-Leben genug haben – mit „Büros & Buchhaltern“ zu vertreiben: „Das ist ein aufregendes Rollenspiel, das in einer Welt mit echter Industrie, richtiger Technik, Deejays, Politikern und Arnold Schwarzeneggers spielt!“ Am besten zurücklehnen und einfach zuhören, wie die andere Seite unsere Wirklichkeit erfindet – per Papier, Bleistift, Würfel und Regelbuch: „Wo waren wir stehengeblieben? Genau: Unsere Heldenparty wird von einer kapitalistischen Regierung wegen Pinguin-Schmuggels in einer Gefängniszelle festgehalten. Was tun wir jetzt ... Dave? (Dave ist ein Fußball-Hooligan der 3. Stufe.) Ich organisiere erst mal ein paar Sixpacks und besaufe mich sinnlos. Würfele zweimal für den Schaden...“ Ulrich Hölzer

„Simon The Sorcerer 2: The Lion, The Wizard & The Wardrobe“ (Adventure Soft). PC-CD-ROM, PC-Diskette (ohne Sprachausgabe); Versionen für Amiga/ Amiga CD sind angekündigt. Preis ca. 120 DM