Verfassungs- beschwerde Wahlrecht

■ betr.: „Kinder an die Macht“, taz vom 24.8.1995

Im Untertitel des Artikels über die am Mittwoch eingereichte Verfassungsbeschwerde der beiden Jugendlichen zum derzeit geltenden Wahlrecht steht, es würde die Senkung des Wahlalters gefordert. Dies ist falsch. Die Beschwerde richtet sich gegen Art. 38 Abs. 2, 1. Halbsatz des Grundgesetzes. Darin wird festgelegt, daß ein Mensch nur dann das Recht zu wählen ausüben darf, wenn er ein bestimmtes Alter erreicht hat. Ziel der Verfassungsbeschwerde ist das Aufheben jeglicher Altersgrenze, weil sie in einer Demokratie prinzipiell nicht begründet werden kann.

Weiterhin stehen im Artikel drei erhebliche Falschinformationen.

1. Im Art. 38 (2) steht nicht „wählbar ist“ sondern wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat. Hier geht es um den Unterschied von aktivem und passivem Wahlrecht, wobei aus juristischen Gründen nur das aktive Wahlrecht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist.

2. „Kindern müßten Rechte zustehen, da sie bereits Verpflichtungen haben“, wird die Meinung von Rechtsanwalt Peter Merk wiedergegeben, der den Text der Beschwerde formuliert hat. Aber: Wahlrecht ist ein Grundrecht (s. BVerfGE 1,242), und Grundrechte stehen Menschen ohne jegliche Verpflichtungen oder Leistungen zu. Aus diesem Grunde argumentieren wir ja, daß Kindern nicht das Recht, zu wählen vorenthalten werden darf, zum Beispiel mit der Behauptung, sie hätten nur mangelnde politische Urteilsfähigkeit (was auch immer das sein soll). Dies sei ein Verstoß gegen Artikel 20 (2) und deshalb undemokratisch – also verfassungswidrig, argumentiert Merk.

3. Merk wird zitiert mit dem Satz: „Mit sieben ist (das Kind) strafmündig ...“ Strafmündig sind nach §1 JGG Jugendliche ab 14 Jahren, so steht es im Beschwerdetext von Peter Merk.

Eines der Ziele der Verfassungsbeschwerde ist es, auf die mangelhafte Rechtsstellung der Menschen unter 18 Jahren aufmerksam zu machen und eine öffentliche Diskussion darüber anzuregen. Dabei würden wir uns eine zwar streitende, aber sachlich richtig informierende Presse wünschen. Die Kinderrächtszänker,

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