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SPD schrödert weiter

Verheugen hält Schröder „Maulerei“ vor, weil der die Wirtschaftspolitik der SPD kritisiert  ■ Aus Bonn Hans Monath

Gerhard Schröder bleibt allen SPD-Präsidiumsbeschlüssen zum Trotz Gerhard Schröder. Zwei Tage, nachdem im Partei-Präsidium Burgfriede beschlossen wurde, sorgte der niedersächsische Ministerpräsident gestern mit wohlgezielten kritischen Bemerkungen zur Wirtschaftskompetenz seiner Partei und mit Vorschlägen zum Termin der Kanzlerkandidatenwahl wieder für Streit in der SPD.

Bundesgeschäftsführer Günter Verheugen warf dem Konkurrenten von Rudolf Scharping daraufhin vor, „permanent Falschinformationen über die SPD in die Welt“ zu setzen: „Seine Maulerei ist nicht nur überflüssig, sondern völlig unakzeptabel“, sagte Verheugen in Bonn.

Schröder fordert in einem gestern verbreiteten Interview mit der Woche, der SPD-Bundesparteitag im November solle statt über die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung über die Flexibilisierung der Wirtschaft beraten. Auf dem Parteitag müsse von kompetenten Wirtschaftsfachleuten diskutiert werden, „wie Deutschland Industriestandort und Hochlohnland bleiben kann“, erklärte Schröder und präsentierte auch gleich die Lösung: „Die Antwort heißt natürlich: Keine Angst vor Flexibilisierung.“

Verheugen widersprach Schröder gestern mit dem Hinweis, die zentralen Themen des Parteitags seien die Modernisierung der Wirtschaft und die Zukunft der Arbeit, die in Diskussionsforen erörtert werden sollten. Diese Planung sei vom SPD-Präsidium im Februar in Anwesenheit Gerhard Schröders beschlossen worden.

Verheugen warf dem Ministerpräsidenten auch vor, er wolle trotz der Einigung des SPD-Präsidiums vom Montag wieder eine Diskussion über den Kanzlerkandidaten beginnen. Dieser Versuch könne „nicht hingenommen werden“, sagte Verheugen. Schröder hatte sich in dem Interview erneut dafür ausgesprochen, über den nächsten Kanzlerkandidaten der SPD erst 1998 zu entscheiden. Der SPD-Vorsitzende habe aber entsprechend der Präsidiumsbeschlüsse „das Recht des ersten Zugriffs“.

Mit Vorschlägen für den Parteitag in Mannheim meldete sich gestern auch die Parteilinke zu Wort. Ihre Sprecher Detlev von Larcher, Eckart Kuhlwein und Michael Müller forderten, in Mannheim eine grundsätzliche Aussprache über den Zustand der SPD und ihre Aufgaben als Reformkraft auf die Tagesordnung zu setzen. Das Problem seiner Partei besteht nach Ansicht Müllers darin, „daß im Kern nicht klar ist, was sozialdemokratische Politik eigentlich ist“.

Der Parteitag, so heißt es in dem Papier der Linken, müsse „jenem Populismus ein Ende machen, der sozialdemokratische Politik ohne Rücksicht auf Inhalte und Beschlüsse der Beliebigkeit der eigenen Profilierung opfert“. Allerdings betonte Kuhlwein: „Die Linke wird auf dem Bundesparteitag nicht die Auseinandersetzung mit Schröder zum Thema machen“. Statt dessen, so versprachen die drei Politiker, wollen sie die leidige Personaldebatte durch Schärfung des Profils und inhaltliche Auseinandersetzung über den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft überflüssig machen. „Wir erwarten auch von unserer Nummer eins, daß er deutlicher als bisher Impulse für diese Debatte liefert“, sagte von Larcher.

Als vollkommen gescheitert gilt in der Partei inzwischen die von der SPD-Fraktionsführung um Scharping in den vergangenen Monaten immer wieder stolz propagierte Strategie, wonach die Bundesregierung über die SPD- Mehrheit im Bundesrat „vorgeführt“ und zermürbt werden sollte. Einzelne SPD-Ministerpräsidenten, allen voran Schröder, waren stetig aus der Reihe getanzt.

Wie zuvor schon Mitglieder der SPD-Fraktionsführung erteilten auch die Parteilinken gestern der Strategie eine Absage. Die Bundestagsfraktion müsse wieder Zentrum der Auseinandersetzung mit der Bundesregierung werden, forderte Kuhlwein und fügte in Anspielung auf den Führungsstreit hinzu: „Das hat auch Folgen für die Frage, wer die SPD in politischen Auseinandersetzungen nach außen vertritt.“

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