Tabula-rasa oder: Strafe statt Hilfe

■ PUA Polizeiskandal verhandelt jetzt über den Rauschgiftfahndungstrupp „Kora“

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuß (PUA) „Polizei“ wird sich ab heute mit dem sogenannten Kora-Konzept am Revier 11 in der Kirchenallee am Hauptbahnhof befassen. Aufgabe der im September 1991 eingesetzten Spezialeinheit „Koordinierungsgruppe Rauschgift“ war die „Bekämpfung der offenen Drogenszene“ am Hauptbahnhof. Die im Laufe des Hamburger Polizeiskandals aufgelöste Einheit wird vor dem PUA im Kreuzfeuer der Kritik stehen.

Dabei war der Ansatz des Kora-Konzeptes aus polizeilicher Sicht 1991 ein wesentlicher Fortschritt. Zuvor hatte die Polizei auf die „Tabula-Rasa“-Lösung gesetzt – die Vertreibung der Junkies vom Hansa-Platz und aus St. Georg. Doch das führte nur dazu, daß sich die Drogenszene an den Hauptbahnhof oder nach St. Pauli und Eimsbüttel verlagerte. Nach der Kora-Konzeption sollte erstmals der Dealer-szene und deren Hintermännern zu Leibe gerückt werden. Die neue Sondereinheit aus Revierkräften, Fahndern der „Ermittlungsgruppe Straßendeal“ (EG 896) sowie den Einsatzzügen Mitte, gegebenenfalls verstärkt durch BereitschaftspolizistInnen (Bepos). Kora-Chef war der Ex-Leiter des Einsatzzuges Mitte II, Günther Ebel.

Die Vorgehensweise: Die mutmaßlichen Dealplätze wurden von ZivilfahnderInnen – teilweise als Prostituierte verkleidete Beamtinnen – observiert. Ebel 1991 gegenüber der taz hamburg: „Unser Ziel ist nicht, gegen die Junkies vorzugehen, aber um an die Dealer heranzukommen, müssen wir oft auch die Abhängigen erst überprüfen und verhören.“ Die enttarnten Kleindealer sollten ebenfalls beschattet werden, weil die Drogenfahnder hofften, sie würden auf diese Weise den Hintermännern auf die Schliche kommen.

Aber das Konzept scheiterte schnell: An die großen Fische kamen die FahnderInnen nie heran. Zudem waren die polizeilichen Maßnahmen nicht mit den Drogeneinrichtungen abgestimmt worden, so daß die Kora-Einsätze mehr Verunsicherung bei den Junkies als bei den Dealern auslösten und zudem das Drogenkonzept „Hilfe“ durch „Strafe“ konterkarierte. Zum anderen mangelte es bei vielen BeamtInnen an der Qualifikation. Teilweise wurden junge „Bepos“ eingesetzt, die gar nicht so richtig wußten, was sie machen sollten.

Aus Frust – die zivilen Kora-FahnderInnen ernteten die Lorbeeren und sie müßten nur die Drecksarbeit machen – zeigten viele Beamte Übereifer und sprachen wahllos Platzverweise gegen Drogenabhängige aus. Oder diese Polizisten gingen sogar gegen Junkies direkt vor der Drogenhilfeeinrichtung „Drob inn“ in St. Georg vor, obwohl diese Region für die Polizei „Sperrgebiet“ war.

Die Einsatzzüge ihrerseits verselbständigten sich innerhalb der Kora und führten zusammen mit Revierbeamten wie dem Einsatzführer Christoph St. einen rassistischen Privatkrieg gegen Schwarzafrikaner (siehe Kasten rechts).

Die Aufgaben der im Zuge des Polizeiskandals aufgelösten Kora sowie die Drogenfahndung sind inzwischen von der „11E“-Schicht am Revier Kirchenallee übernommen worden. Zusätzlich wurden wieder BeEinheiten der Bereitschaftspolizei zum Hauptbahnhof abkommandiert.

Denn der neue Innensenator Helmuth Wrocklage setzt wieder auf das antiquierte „Tabula-rasa“-Konzept. Kai von Appen