50 Jahre Freie und Einparteienstadt

■ Hamburgs Sozialdemokraten feiern ein halbes Jahrhundert ihrer selbst Von Florian Marten

Das wird morgen ein Fest, sorry, das Fest: Die „Tüdelband“ ist voll da, die DGB-SeniorInnen stellen sich vor, der Arbeitersamariterbund kommt mit Sanitätern, die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen präsentiert Einkaufstaschen aus dem prallen Frauenleben und die HDW-Arbeitslosenini protestiert gegen die Politik der Bundesregierung. Was will das Herz noch mehr?

Zum 50jährigen Jubiläum ihrer bundesrepublikanischen Wiedergeburt am 1. September 1945 haben Hamburgs SozialdemokratInnen weder Kosten noch Mühen gescheut, um auf dem symbolträchtigen Platz der Republik in Altona sich und die Erfolge von 50 Jahren Einparteienstadt gebührend zu würdigen. Zum Beispiel mit dem Infostand „Bürgerbeteiligung am Beispiel Wilhelmsburg“ oder, alles überragend, dem Auftritt eines Herrenquartetts, das sich gegenseitig überhaupt nicht riechen kann: Die leibhaftigen Noch- und Ex-Bürgermeister Voscherau, von Dohnanyi, Klose und Schulz wollen zu den nochundexspdwählenden Massen sprechen.

Nicht auf der Feierbühne steht das Wirtschaftswundertrio Max Brauer (in der Weimarer Zeit Bürgermeister Altonas, dann von 1946-1953 und 1957-61 Stadtchef Hamburgs), Paul Nevermann (1961-65) und Herbert Weichmann (1965-71). Die Drei leben nicht mehr. Ihr Wirken dagegen begleitet uns auf Schritt und Tritt. Max Brauer beispielsweise: Ihm verdankt Hamburgs SPD nicht nur die Grindelhochhäuser und den Backsteinrausch des Sozialwohnungs-Wiederaufbaus. Der autoritäre Führungsstil Brauers verdammte die SPD als Parteiorganisation schon schnell zur Bedeutungslosigkeit.

Ob Anti-Sowjetkurs oder Anti-Vergesellschaftlichungskurs –Brauer, kräftig unterstützt vom Wirtschaftssenator und späteren Bundessuperminister Karl Schiller, machte Rathaus und Senatsgehege zur Steuerungszentrale der Hamburger SPD. Diskussionen an der Parteibasis scherten ihn herzlich wenig. Die straff geführte Partei und die gut bedienten Funktionäre der DGB-Gewerkschaften sorgten für ein würdiges Gegenstück zu den CSU-Strukturen in Bayern.

Zwar gelang es 1953 einem von der CDU geführten Bürgerblock, die SPD bis 1957 eine Wahlperiode lang von der Macht zu verdrängen – dann gelang jedoch Brauer das Comeback. Sein Trick, schon 1946 nach seinem ersten Wahlsieg mit dem Angebot einer Allparteien-Regierung ausprobiert, funktioniert bis heute: Die SPD hat ihren Helfershelferchen in Koalition (einst FDP, heute Statt) und Opposition (stets die CDU) immer klitzekleine Beteiligungen eingeräumt, ohne die Fäden aus der Hand zu geben.

Die Saat des Max Brauer ging unter Nevermann und Weichmann so richtig auf. Der Hamburger Betonkurs von Wohnungsbau, Straßenbau, Hafenausbau und Industrieaufbau, allem voran die vier norddeutschen Atomkraftwerke, erlebte seine Blütezeit. Zum gewichtigsten Exponenten der Hamburger Nachkriegs-SPD reifte in jener Zeit Helmut Schmidt, 1962 Chef der Hamburger Sturmflutbrigaden und ab 1974 Totengräber der SPD-Regierung in Bonn, der diesen jeder Erneuerung und Modernität feindlichen Kurs bis heute wie kein anderer repräsentiert.

An den Erfolgen des Wirtschaftswundertrios leidet die SPD heute schwer: Überalterung, Demokratiedefizite und Defätismus prägen den zusammengeschmolzenen Parteiapparat. Die wirtschaftspolitischen Fehlentscheidungen der 60er und 70er Jahre, von Weichmann-Fan Voscherau heute ungeniert nachgebetet, plünderten nicht nur Stadtkasse, Süderelberaum und Hamburgs Lebensqualität, sie bedrohen auch weiter Arbeitsplätze und und die wirtschaftlichen Perspektiven.

Auch eine andere Folge jahrzehntelanger SPD-Regentschaft belastet die Stadt: Ähnlich wie in Bayern hat Hamburgs Sozi-Einparteien-Stadtstadt das demokratische System heftig verstümmelt. Damit dies weiter so bleibt, arbeiten Hamburgs Sozis an einer Änderung des Wahlsystems: Bereits 1946 und 1949 profitierte Brauers SPD von einem Teilmehrheitswahlrecht, das sie nur unwillig aufgaben. Käme eine entsprechende Wahlrechtsreform rückwärts – das wäre ein Fest!