Weihnachtsgeld futsch

■ Angestellten-Kammer spart Sozialkosten ein / Vorstand sieht kein Mißmanagement

Die 242 MitarbeiterInnen der Angestelltenkammer müssen weiter um ihre Jobs zittern. Stichtag ist der 15. November – bis dahin soll das von der Geschäftsführung vorgeschlagene Modell A umgesetzt werden. Vorruhestandsregelungen, Arbeitszeitverkürzungen, der Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld sollen die Kammer retten. Darauf hat sich die Vollversammlung der Angestelltenkammer am Mittwoch in Bremerhaven geeinigt.

Wenn das nicht reicht, werden 30,5 Stellen gestrichen – die MitarbeiterInnen müßten gehen. Daß es dazu kommt, steht zu befürchten: Nach Berechnungen der Geschäftsführung werden durch den Verzicht auf Sozialleistungen höchstens 600.000 Mark jährlich eingespart. Der Stellenabbau würde dagegen „nach vorsichtigen Schätzungen“ 1,5 Millionen Mark im Jahr. bringen

Der erste Schritt in diese Richtung ist getan: Die Wirtschafts- und Sozialakademie wird in eine GmbH umgewandelt. „Damit man die Leute leichter feuern kann“, kritisiert Brigitte Dreyer, Fraktionsvorsitzende der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG). Sie setzte auf der Vollversammlung durch, daß die Geschäftsführung bis zum 30. September ein „Strukturkonzept“ vorlegen muß. Dieses Papier soll klären, wie die Angestelltenkammer ihr Angebot aufrecht erhalten will, wenn Personal entlassen wird.

Die Stimmung auf der Vollversammlung in Bremerhaven war ausgesprochen gereizt. „Wo sind die 13 Millionen Mark, die die Zwangsmitglieder jährlich an die Angestelltenkammer zahlen?“ wollte Brigitte Dreyer vom Vorstand wissen. Der Vorstand wußte – wie auf viele andere Fragen auch – keine Antwort.

„Ein Unternehmen mit 40 Millionen Mark Umsatz kann nicht geführt werden wie ein Kiosk“, warf Dreyer dem Vorstand vor. „Sie haben keine Kompetenz. Sie kassieren Ihre Tantiemen und belasten damit die Kammer mit rund 70.000 Mark jährlich – ohne dafür eine einzige Leistung zu erbringen. Treten Sie zurück! Sie haben genug Unheil angerichtet.“

Kammer-Präsidentin Irmtrud Gläser hatte Mühe, die Fassung zu bewahren. Schließlich befindet sie sich in in einer prekären Lage: Als Mitglied des ÖTV-Kreisvorstandes müßte die Gewerkschafterin die geplanten Entlassungen ablehnen – als Kammer-Präsidenten unterstützte sie das Vorhaben des Vorstandes. „Mit Befremden“ nehme sie den Rüffel zur Kenntnis, sagte Irmtrud Gläser und suchte nach Worten. Die Vorwürfe der „Inkompetenz“ und des „Mißmanagements“ seien „ungerechtfertigt“, verteidigte sie sich.

Vorstandsmitglied Eberhard Fehrmann trat ihr zur Seite. „Die Existenzkrise der Kammer ist nicht durch Mißmanagement verursacht, sondern hat politische Gründe.“ „Der Vorstand hat das Geld in Aserbaidschan, in Indonesien und sonstwo auf der Welt verballert“, beharrte dagegen die DAG-Vertreterin Brigitte Dreyer.

Die Frage, wie und wo gespart werden soll, sorgte für weiteren Zündstoff. Die VertreterInnen der DAG wehrten sich entschieden gegen Kündigungen. Sie hatten eine andere Sparidee: Der Vorstand, der nur mit Mitgliedern des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) besetzt ist, solle auf seine Sitzungsgelder von 70.000 Mark jährlich (660 Mark pro Sitzung) verzichten. „Ein Arbeitsplatz kostet 30.000 bis 40.000 Mark. Ich würde zugunsten eines Arbeitsplatzes gern auf 70.000 Mark verzichten“, appellierte ein DAG'ler an die Vorstandsmitglieder. Bei Zweien fand er Gehör: Die DGB'ler stimmten mit der DAG für eine Reduzierung der Sitzungsgelder von 660 Mark auf 400 Mark.

Nach dreistündiger Sitzung kam die Diskussion dann nochmal auf Hochtouren: Die DAG wollte eine verbindliche Zusage, daß betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden. „Das haben die Zeitungen nur falsch verstanden“, versuchte Vorstandsmitglied und Ex-Kammerpräsident Bernhard Baumeister die Gewerkschafter zu beruhigen. „Wir streben sozialverträgliche Kürzungen wie Arbeitszeitverkürzung und Vorruhestand an“, versicherte er. Aber: „Ich kann nicht versprechen, daß der Vorstand betriebsbedingte Kündigungen auf keinen Fall durchführen wird. kh / kes