Das Portrait: Femi-Funktionärin
■ Rosiska Darcy de Oliveira
Heute gehört sie zum politischen Establishment. Rosiska Darcy de Oliveira, Frauenforscherin und überzeugte Feministin, ist die neue Frauenbeauftragte der brasilianischen Regierung unter Präsident Fernando Henrique Cardoso. Auf der UNO-Frauenkonferenz in Peking führt sie die offizielle Regierungsdelegation Brasiliens an.
„Ich wünschte, daß sich der Feminismus innerhalb der brasilianischen Gesellschaft so verbreitet, daß die Frauenbewegung nicht mehr notwendig wäre“, lautet ihr hochgestecktes Ziel. Doch dies, so räumt die 51jährige promovierte Pädagogin und Schriftstellerin aus Rio de Janeiro selbst ein, wird noch eine Weile dauern.
Während der Militärdiktatur von 1964 bis 1985 verbrachte Rosiska Darcy de Oliveira fünfzehn Jahre im Exil in der Schweiz. An der Genfer Universität studierte sie Pädagogik und Psychologie und erlangte im Jahr 1987 mit der Arbeit „Die Erziehung von Frauen im Spiegel der Zweideutigkeit“ ihren Doktortitel.
Rosiska Darcy de Oliveira, die neue Frauenbeauftragte Brasiliens Foto: privat
Dank ihrer internationalen Kontakte gründete sie nach ihrer Rückkehr im Jahre 1983 in Rio das Kulturinstitut IDAC, das mit finanzieller Hilfe der skandinavischen Länder verschiedene Frauenprojekte in Brasilien fördert. Als Mitglied des Landesfrauenrates von Rio de Janeiro kämpfte sie für die rechtliche Gleichstellung der Brasilianerinnen. „Die brasilianische Demokratie muß auch für Frauen gelten, sonst verdient sie ihren Namen nicht“, erklärte sie bei ihrer Amtseinführung im Januar.
Auf dem Papier sind die brasilianischen Frauen seit 1988 den Männern gleichgestellt. Die neue Verfassung verbietet nicht nur jedwede Diskriminierung, sondern sichert den 74 Millionen Brasilianerinnen vier Monate bezahlten Mutterschaftsurlaub und Kündigungsschutz während der Schwangerschaft zu. Doch die Praxis sieht anders aus. Laut brasilianischem Statistikamt gehören die von Frauen angeführten Familien zu den ärmsten Bevölkerungsgruppen. Auch die Tatsache, daß ein Drittel der 74 Millionen Brasilianerinnen berufstätig ist und in ihrer Ausbildung den Männern in nichts nachstehen, hat an der drastischen Diskriminierung der Frauen nichts geändert.
„Auf dem Papier ist die rechtliche Gleichstellung erreicht“, bilanziert Rosiska Darcy de Oliveira nach zwanzig Jahren Engagement. „Jetzt geht es mir als Frau um die Anerkennung der Andersartigkeit.“ Astrid Prange, Rio
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