Clinton verbucht Erfolg in Bosnien

■ Die Nato ist sich uneins über Dauer und Ziele der Angriffe gegen die bosnischen Serben. Silajdžić lehnt den US-Plan ab

Berlin (taz) – Die Nato-Luftangriffe auf Militäreinrichtungen der Karadžić-Serben haben US-Präsident Bill Clinton möglicherweise einen innenpolitischen Erfolg beschert. Robert Dole, sein voraussichtlicher Rivale im Präsidentschaftswahlkampf des nächsten Jahres, äußerte am Mittwoch abend erstmals vorsichtige Unterstützung für Clintons Politik. Dole deutete die Möglichkeit an, die für Anfang September erwarteten Abstimmungen im Senat und Abgeordnetenhaus über das Veto des Präsidenten gegen die Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien erst einmal zu verschieben.

Angesichts bislang ausgebliebener Erfolge der jüngsten diplomatischen Initiative seiner Regierung mußte Clinton zumindest bis zu der Nato-Militäraktion befürchten, daß sein Veto von beiden Häusern mit Zweidrittelmehrheit überstimmt und er damit zur Aufhebung des Waffenembargos gezwungen wird. Frankreich und Großbritannien haben für den Fall einer entsprechenden Entscheidung des US-Kongresses den vollständigen Abzug ihrer Unprofor- Soldaten bis Ende dieses Jahres angekündigt. Dann wiederum müßte Clinton seine Zusage einlösen, 25.000 US-Soldaten zur Sicherung der Abzugsoperation durch die Nato zu entsenden. Republikaner- Führer Dole schränkte seine Unterstützung für Clinton allerdings sogleich ein und hielt sich alle Optionen offen: „Ein Tag militärischer Aktion“ sei noch „keine Wiedergutmachung für drei Jahre der Passivität und des Versagens“. Die endgültige Entscheidung zur Verschiebung der Abstimmung will Dole erst dann treffen, wenn „sich erweist, daß die jüngsten Nato-Luftangriffe Teil einer neuen und effektiven Politik sind, die zu einem gerechten und dauerhaften Frieden führt“.

Damit bleibt Clinton innenpolitisch zunächst einmal unter Druck, die Luftangriffe zumindest solange fortzusetzen, bis alle schweren Waffen, mit denen die Karadžić- Serben die UNO-„Schutzzonen“ Sarajevo, Goražde und Tuzla beschießen können, zerstört sind, oder aber aus einer 20-Kilometer- Zone um das Zentrum dieser Städte abgezogen werden. Genau diesen Abzug aber verweigerte der militärische Befehlshaber der Karadžić-Serben, General Ratko Mladić, gestern noch. Mladić setzt möglicherweise darauf, daß die am Mittwoch demonstrierte Einigkeit der drei Westmächte USA, Großbritannien und Frankreich über die Frage der Dauer und Ziele der Nato-Luftangriffe schon bald Risse zeigen wird. Der britische Verteidigungsminister Michael Portillo kündigte am Donnerstag morgen die Einstellung der Angriffe noch für den gestrigen Tag an. Zunächst sollten die Zerstörungen ermessen und widersprüchliche Reaktionen der bosnischen Serben geklärt werden. Sein französischer Amtskollege Charles Millon erklärte hingegen, die Angriffe der Nato und der Schnellen Eingreiftruppe auf serbische Stellungen würden „bis zur Vernichtung sämtlicher militärischer Einrichtungen fortgesetzt, die eine Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit der UNO-Schutzzonen“ darstellten.

Noch weitgehender äußerten sich Vertreter der Clinton-Regierung. Die Angriffe würden solange fortgesetzt, bis die Karadžić-Serben einer „Friedensvereinbarung“ in verbindlicher Form zugestimmt hätten. Doch selbst wenn die verbindliche Zustimmung der Karadžić-Serben bald erreicht werden sollte, ist Clinton noch keineswegs sicher vor einer erneuten Abstimmungsniederlage im Kongreß. Denn bei der Beurteilung, ob die von seiner Regierung angestrebte „Friedenslösung“ gerecht und dauerhaft ist, wird sich Dole vorrangig an der Haltung der bosnischen Regierung orientieren.

Zwar haben Vertreter der Regierung in Sarajevo in den letzten Tagen ihre bereits seit Juni 1994 geäußerte Zustimmung zu der Kontaktgruppen-Karte bekräftigt; diese sieht vor, daß künftig 49 Prozent des bosnischen Territoriums von den Karadžić-Serben und 51 Prozent von der muslimisch-kroatischen Föderation kontrolliert werden sollen. Die von Washington vorgeschlagene Konföderation zwischen den Karadžić-Serben und Serbien hat der bosnische Ministerpräsident Haris Silajdžić gestern jedoch abgelehnt. Nach einem Treffen mit Bundesaußenminister Klaus Kinkel sagte er in Bonn, am Plan der Kontaktgruppe könnten allenfalls noch kleine Korrekturen vorgenommen werden. Neben der serbisch-serbischen Konföderation sieht der US- Plan auch eine zwischen der muslimisch-kroatischen Förderation in Bosnien und dem kroatischen Staat vor. Dies läuft de facto auf die Aufteilung Bosniens unter seine beiden Nachbarstaaten hinaus. Andreas Zumach