An den Atomtests verdienen nicht nur Franzosen

■ Forscher legen offen, wer direkt mit dem französischen Verteidigungsministerium zusammenarbeitet. Vom Baulöwen bis zum Schnellzughersteller sind alle dabei

Unglaublich viele Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Industrieanlagen sind mit dem Testen atomarer Sprengsätze beschäftigt. Eine Lyoner Forschergruppe hat erstmals eine Liste der Auftragnehmer der direkt dem französischen Verteidigungsministerium unterstellten Direktion der pazifischen Atomtestzentren „Dircen“ zusammengestellt. Vor allem die Großen aller relevanten Branchen finden sich dort wieder: nationale Forschungsstellen und Universitätsinstitute, Baulöwen und Computergiganten, Elektrokonzerne und Ölmultis.

Die Dircen-Leitung untersteht einem Armeeoffizier, sein Stellvertreter kommt vom Atomenergie-Kommissariat (CEA), bestellt wird offensichtlich gemeinsam. Forschung ist aller Praxis Grund, und daher werden neben jenen zum CEA gehörenden Einrichtungen zahlreiche andere Forschungsstellen bei den Atomtestern beschäftigt. Das Institut für Geologie- und Bergbauforschung (BRGM) kümmert sich um Magnetfeld- und Schwerkraftmessungen, ist besser bekannt als Experte für Erfassung und Ausbeutung von Bodenschätzen, aktiv in 40 Ländern. Die private Gesellschaft für Geophysik (CGG) erstellt seismologische Profile; die bei den Bombentests erzeugten Schockwellen liefern wertvolle Angaben für die Waffenspezies.

Die nationale Wissenschaftsbehörde (CNRS), der die Universitätsforschung untersteht, hat an etlichen Instituten, darunter Orsay, Poitiers, Toulouse, Brest und Clermont-Ferrand, bei der Auswertung von Proben aus den bei Tests entstandenen Bombenlöchern geholfen. Die öffentliche Elite-Verwaltungshochschule in Paris (EPHE) hat für das Atomenergie- Kommissariat „biologische Kontrollmessungen“ durchgeführt, Details unbekannt. Für dieselben Arbeiten steht selbst das alt- ehrwürdige nationale Museum für Naturgeschichte auf der Dircen- Kundenliste.

Die Unterwasserspezialisten des „Ifremer“, durch zahlreiche Einsätze ihrer Tiefsee-U-Boote auch international bekannt geworden, machen neben Spezialmessungen auch schöne Fotos und graphische Darstellungen der akustischen Dimension des großen Knalls. Die staatliche Forschungseinrichtung für die Durchführung von Kooperationsprogrammen mit Ländern der Dritten Welt hilft der Dircen im Bereich radiologische Sicherheit – voilà: ein verdienstvoller Auftrag weit im Süden.

Wenig überraschend ist, daß bei radiologischen Messungen auch die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) in Wien mit ihrer Marineforschungsstelle in Monaco dabei ist. Eher überrascht, daß laut dieser Liste auch das Deutsche Hydrographische Institut (DHI) in Hamburg mit der IAEO dabei kooperierte und daher ebenfalls auf der Dircen-Auftragsliste auftaucht. Das DHI wurde mittlerweile zur Bundesanstalt für Seeschiffahrt und Hydrologie in Hamburg (BSH) umgestaltet.

In vergleichende radiologische Studien sind auch das amerikanische Lawrence Livermore National Laboratory sowie das dänische Atomforschungszentrum Roskilde eingebunden.

Bruno Barrillot, Leiter des Friedens- und Konfliktdokumentations- und -forschungszentrums in Lyon, betont, daß es sich bei seiner Dircen-Kundenliste nur um direkt an den Atomtests beteiligte Forschungseinrichtungen und Firmen handelt. Eine Aufzählung der Unternehmen, „die an der Herstellung französischer Atomwaffen beteiligt sind, wäre eine viel längere Liste“.

Die Liste der Firmen enthält fünfzehn Namen, von ACB bis Thomson. ACB, Spezialist für Kesselbau, elektrothermische Anlagen und Präzisionsmeßgeräte für die Militärs, baut die Behälter für die Bomben. ACB gehört zur GEC-Alsthom-Gruppe, die gleich mehrfach als Dircen-Kunde auftaucht. Alsthom baut den französischen Schnellzug TGV und ist außerdem im AKW-Bau tätig. Eine Tochtergesellschaft ist für die Süßwasserproduktion sowie für die Klimatisierung auf Moruroa verantwortlich. Sie ist außerdem eine der wesentlichen Anlagenbauer in Polynesien.

Der Baulöwe Bouygues, eine Art französischer Philipp Holzmann, liefert sämtliche schwimmenden Plattformen für die Bohrungen der Testschächte. Daher hat er eigens für seine Aktivitäten in Papeete die Tochtergesellschaft Bouygues Offshore gegründet.

Die Sedco Forex, Tochter des Ölbohrgiganten Schlumberger, der von Angola bis Zaire nach schwarzem Gold sucht, treibt denn auch die Bombenschächte ins Riff. Die großen Infrastrukturarbeiten werden von Dumez und Spie-Batignolles (Schneider S.A. Gruppe) durchgeführt. Beide sind auf allen Kontinenten zugegen und haben immer schon eine besondere Schwäche für militärische und Atomanlagen gehabt.

Elektronische Systeme und Computer auf Moruroa tragen den Namen Bull, verkabelt werden sie von den Kabelträgern der Cables de Lyon. Filotex mit Sitz im Pariser Vorort Draveil hat sich auf Spezialkabel für Meßgeräte spezialisiert. Matra war auch schon bei den atmosphärischen Tests mit Spezialprobenahmegeräten mit dabei.

Die elektronische Bestückung der Bombe besorgt Thomson-CSF (Thomson S.A. Gruppe), Nummer eins in Europa, Nummer drei weltweit im Bereich professioneller elektronischer Ausrüstung und mit 19 Prozent an der Bank Crédit Lyonnais beteiligt. Neutronenquellen für den Zünder der Bombe stammen von der Firma Sodern. Und wenn es mal schiefgeht, dann dekontaminiert die STMI, die hat das bei den französischen Atomanlagenbetreibern lange genug geübt. Mycle Schneider