Gegen den Krieg – auch mit Waffen?

■ Demo zum Antikriegstag / Ziegert für, Scherf gegen UN-Militäreinsatz in Bosnien

„Schluß mit Krieg und Völkermord in Bosnien!“ Hinter diesem Plakat der Grünen zogen gestern nachmittag knapp 500 BremerInnen bei Nieselregen zum Antikriegstag vom Bahnhof zum Marktplatz. Doch schon bei der Frage, wie die schöne Forderung denn durchgesetzt werden soll, trennten sich die Meinungen wieder.

„Die Nato-Luftangriffe der letzten Tage haben bei vielen und auch bei mir Erleichterung ausgelöst“, erklärte Bremens DGB-Chefin Helga Ziegert als erste Rednerin der Abschlußkundgebung – und erntete sowohl Pfiffe als auch Applaus. „Krieg hat noch nie Frieden geschaffen“, antwortete ihr als zweiter Redner Bürgermeister Henning Scherf, „ich halte das militärische Eingreifen von deutscher Seite für falsch, das wird den Brandherd nur vergrößern“. Doch auch er erntete keine übergroße Zustimmung. Einig waren sich beide RednerInnen über die historische Bedeutung, daß zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs, der gestern vor 56 Jahren begonnen hatte, „wieder deutsche Soldaten an einem Krieg beteiligt sind“ (Ziegert).

„Tornados überm Balkan – holt sie runter. Nie wieder Deutschland über alles!“ trug einer der Antikriegstags-Demonstranten auf einem Plakat vor sich her. „Das ist doch zynisch, wenn die Tornados eingesetzt werden, um die bosnischen Schutzzonen zu verteidigen“, meinte Mitdemonstrant Ralf Fücks und verteilte den von ihm initiierten und von Hans Koschnick, Selim Beslagic, den Bürgermeister von Tuzla, Rupert Neudeck, Klaus Wedemeier, Elke Kröning und vielen weiteren JournalistInnen und PolitikerInnen aus SPD, AfB und Grünen unterzeichneten Appell, „Schützt Bosnien!“ Darin heißt es: „Nur die Bereitschaft, Gewalt notfalls mit Gewalt zu beantworten, ermöglicht politische Lösungen. Ein bedingungsloser Gewaltverzicht begünstigt offensichtlich diejenigen, die mit Gewalt die Teilung Bosniens wollen.“

Im Vergleich zu den vergangenen Jahren war die Beteiligung an der Antikriegstags-Demonstration trotz der geteilten Meinungen in der Bosnien-Frage groß wie lange nicht mehr. Zwar waren 1992 noch weit über 1.000 DemonstrantInnen zur Kundgebung mit Alfred Mechtersheimer auf den Marktplatz gekommen, doch 1993 erschienen nur noch gut 50 BremerInnen zur Demonstration vom Hauptbahnhof zum Bundeswehrhochhaus. Und im vergangenen Jahr sank die Beteiligung am Antikriegstag sogar auf rund 30 Personen, die auf dem Marktplatz eine kaum beachtete kleine Mahnwache abhielten.

Grund dafür war sicherlich auch, daß der europäische Krieg in Bosnien in dem offiziellen Aufruf des DGB 1993 mit keinem einzigen Wort erwähnt worden war. Das war in diesem Jahr anders. Der Aufruf des DGB hatte zumindest eine auch in Bremen verbreitete Stimmung angesprochen: „Die anhaltenden Informationen über Mord, Vertreibung und Verelendung lassen Hilflosigkeit entstehen und mehreren die Zahl der Stimmen, die eine Beendigung des Krieges in Ex-Jugoslawien auch mit militärischer Gewalt befürworten.“ Andererseits könne es ein militärische Lösung des Konflikts nicht geben.

Ähnlich hin- und hergerissen zeigten sich denn auch die TeilnehmerInnen der Demonstration. Und auch bei denen, die sich für oder gegen die militärische Option entschieden hatten, wurde die Überzeugung wenig kämpferisch vorgebracht. Auch bei den TrägerInnen des großen grünen Friedens-Transparents am Kopf der Demonstration löste die Frage danach, wie denn Krieg und Völkermord in Bosnien zu stoppen seien, irritiertes Kopfschütteln aus. „Wir haben dazu keine klare Parteimeinung“, sagte eine der TransparentträgerInnen, das grüne Landesvorstandsmitglied Cecilie Eckler-von Gleich, und drückte PassantInnen ein Flugblatt ihrer Partei in die Hände. Darin wird die Frage auch nicht beantwortet, sondern eingeladen zu einem „Grünen Ratschlag“ am kommenden Montag, 11.9., 20 Uhr im Konsul-Hackfeld-Haus. Ase