Sanssouci
: Nachschlag

■ „Kaddish“: Towering Inferno im Haus der Kulturen der Welt

Welchen Ton hat die Vernichtung? Sind Schweigeminuten angebracht, wo es kein Schweigen gibt? Das Duo Towering Inferno hat zusammen mit vielen anderen KünstlerInnen ein Multimedia-Epos geschaffen, das den Holocaust umsetzt – nicht als Trauermarsch, sondern als Grenzerfahrung zwischen maximaler Lautstärke und brüchigen Stimmen, zwischen Maschinengeräuschen und dem monotonen Rhythmus fahrender Züge. „Kaddish“, der Name für das jüdische Totengebet, ist der Titel eines Epos, das Techno, Rock, Oper, rituell-religiöse Gesänge und die musikalische Melancholie Osteuropas verschmilzt.

Von fast transparenter Klarheit ist Márta Sebestyéns Gesang, mit dem das Werk eröffnet wird. Der von ihr gesprochene Schlüsselsatz: „This sky will cover you when you fall down“, zieht sich in verschiedenen Sprachen durch das ganze Stück. Einen größeren Trost als „die Liebe des Universums“ wird es nicht geben, denn während sie spricht, hört man bereits das Wort „Pogrom“. Das nachfolgende musikalische Szenario lotet jede Stimmung aus, die der Vernichtung innewohnt. „Dachau“ als langezogene Töne am Piano und Saxophon, durchbrochen von schnellen Sequenzen, die trotzdem keine Bewegung bringen. Schuld: Es schlägt, haut und hämmert, es schreit und brüllt. Vor der Lautstärke wird im Vorfeld gewarnt. Okkupation, Erinnerung, Partisanen, Juden, Moderne Zeiten sind einige weitere Stichworte, die in nicht versöhnliche Musik umgesetzt werden.

Am Donnerstag war endlich die bereits für Mai angekündigte Deutschland-Premiere des Werkes von Richard Wolfson und Andy Saunders im Haus der Kulturen der Welt. Eine Filmcollage, über mehrere Leinwände gezogen, potenziert die Eindringlichkeit der Musik. Gleise, auf denen entlanggerast wird, sich öffnende Türen, Leuchttürme, Rampen, brennende Judensterne, sich drehende Hakenkreuze und Ausschnitte aus Revuen der Zeit, die die Bewegung fahrender Züge kopieren. Als auf allen drei Leinwänden Flammen lodern und die Musik in ungeahnter Härte und Lautstärke einschlägt, wird einigen im Zuschauerraum schwindlig und übel. An der Bilderwut ist Kritik angebracht. Spätestens, wenn das brennende Hakenkreuz rechts und links von brennenden Judensternen flankiert wird, taucht die Frage auf: Warum? Waltraud Schwab