S-Bahn-Millionen für Autofahrer

■ Bonn behauptet, Berlin stoppte Ausbau der S-Bahn, um Auto- und U-Bahn-Tunnel zu finanzieren

Bonn macht den Berliner Senat dafür verantwortlich, daß für den Ausbau der S-Bahn 650 Millionen Mark fehlen. Bundesmittel in dieser Höhe seien im Juni vergangenen Jahres „auf Veranlassung Berlins“ aus einem Topf für die S-Bahn in einen Topf für den Auto- und den U-Bahn-Tunnel unter dem Tiergarten umgeschaufelt worden, damit deren Bau bezahlt werden kann. Das antwortete jetzt die Bundesregierung auf eine Anfrage der Berliner Bundestagsabgeordneten Christa Luft (PDS).

Die Verkehrsverwaltung bestätigte die Umverteilung der Mittel. Bonn habe bis Juni vergangenen Jahres die Wiederherstellung des S-Bahn-Netzes von 1961 nämlich unzulässigerweise unter anderem aus sogenannten Hauptstadtmitteln finanzieren wollen, sagte der Sprecher der Verkehrsverwaltung, Tomas Spahn.

Diese Hauptstadtmittel in Höhe von insgesamt einer Milliarde Mark seien aber für Verkehrsverbindungen bestimmt, deren Bau durch den Regierungsumzug notwendig wurde. Dazu zähle die U5 vom Alexanderplatz zum Reichstag sowie der Autotunnel unter dem Tiergarten und zukünftigen Regierungsviertel, nicht aber die S-Bahn-Sanierung. Bonn hatte nach Ansicht der Verkehrsverwaltung die Mittel schlicht für das falsche Projekt geplant – dem allerdings hatte Berlin ursprünglich zugestimmt. Von den geplanten Hauptstadtmitteln von einer Milliarde Mark stehen für die S-Bahn- Sanierung nur noch 350 Millionen Mark zur Verfügung.

Weil der Bund aber weiterhin für die Wiederherstellung des S-Bahn-Netzes von 1961 in der Pflicht stehe, feierte der Sprecher der Verkehrsverwaltung das Verhandlungsergebnis als Erfolg: „Berlin konnte seine Auffassung durchsetzen, so daß die Hauptstadtmittel eben nicht für Wiederherstellung der S-Bahn, sondern für Neubau von U5 und Autotunnel verwandt werden.“ Im Ergebnis fehlen zusammen mit Kürzungen durch die Bundesregierung aber insgesamt 1,4 Milliarden Mark für die Wiederherstellung des S-Bahn-Netzes.

Die Bündnisgrünen sehen sich deshalb in ihrem Verdacht bestätigt, daß die Große Koalition „im Zweifelsfall“ die S-Bahn hintanstelle. Der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Michael Cramer, will aus der Antwort der Bundesregierung „eindeutig“ entnommen haben, „daß nicht Bonn die S-Bahn-Mittel gekürzt hat“ und sogar „daß nicht Bonn den Straßentunnel und die U-Bahn wollte“. Die rot-schwarze Koalition sei für die jahrelange Untätigkeit auf dem S-Bahn-Ring verantwortlich, der entgegen ihrer anderslautenden Ankündigung in diesem Jahr nicht mehr komplett in Betrieb gehe.

SPD-Fraktionschef Klaus Böger betrachtet die Angelegenheit dagegen undramatisch. Daß 650 Millionen Mark umverteilt worden sind, sei ein Detailproblem – angesichts dessen, daß Bonn beim Ausbau des Berliner Nahverkehrs Milliarden gestrichen habe, ließ der Fraktionschef verlauten. Dirk Wildt