■ Das wahre Leben
: Killing Fields (FFM)

Nach dem Zusammenbruch des Realexistierenden begann mein alter Freund und Genosse, Hühner in seinem Appartement zu halten. So eine Zwergrasse mit Pluderhosen, die ihm die Krümel vom Tisch pickt und Löcher in seine blauen Bände bohrt. Abends hocken sie sich gemeinsam vor „Derrick“ und schlürfen Fünfminutenterrinen. Keine Hühnersuppe, ist klar.

Der IBM-Lurch von nebenan hat seine Schlittenhunde verkauft, nach der Brent-Spar-Nummer fand er die ökologisch nicht mehr tragbar. Jetzt hat er drei ausgewachsene Dobermänner, mit denen tollt er abends durch die Büsche. Der Chihuahua von gegenüber mußte schon dran glauben. Daneben die Frau mit den 20 Katzen hat sich einen Eispickel gekauft. „Du mußt sie in die Schlagader treffen“, hat sie gesagt, „gleich der erste Stich muß sitzen.“

Vorige Woche habe ich im Keller eine Ratte getroffen. Und sie sauste gleich. Dann hopste sie hoch und krachte durchs Cellophan meines Rumtopfs. Da schwamm sie. Nicht lang genug, denn als ich mit dem Schöpflöffel kam, war sie schon weggegluckert. Ich hab das Zeug dann in der Waschküche ausgeschüttet, da kam sie dann raus, und ich hab sie in einen kleinen Müllsack gepackt. Und wie ich noch draußen überlege, tu ich sie jetzt zu den Flaschen, zum Plastik oder in die normale Tonne, kommt meine Nachbarin und sagt: „Mein Sohn vermißt seinen Berti. Haben Sie unseren Berti gesehen?“

Gestern habe ich schließlich eine Frau mit einem Schwein im Café sitzen sehen. Und heute früh sah ich einen Schwarm Tauben aus einem geöffneten Dachfenster schießen. Ein alter Mann winkte ihnen traurig hinterher, mit einem schmutzigen Taschentuch. Da kehrten sie wieder um und fuhren zum Dach hinein. Und der alte Mann schloß das Fenster und kurz darauf qualmte der Schornstein.

Das ist in Ordnung, das haben wir gern. Mich quält eine andere Frage: Wenn ein Hamster es mit einem Hörnchen treibt, ist das jetzt Sodomie? Oder folgendes: Neulich wache ich neben meiner langjährigen Beziehung auf. Und sie öffnet die Augen und sagt: „Ich habe dich mit meinen Löffeln gelockt. Und du hast mir Pfötchen gegeben.“

Ist das nicht schrecklich? Doris Becker