: „Heute fühle ich mich ständig kontrolliert“
■ Heiner Carow über seine Gründe, für die ARD eine Fernsehserie zu drehen
taz: Erleben wir jetzt Heiner Carows Coming-out als Meister der seichten Fernsehunterhaltung?
Heiner Carow: Nein, ich habe das jetzt mal gemacht, aber ich sehe mich nach wie vor nicht als Serien-Regisseur. Zugegeben, früher habe ich dieses Genre grundsätzlich abgelehnt, aber das war auch eine andere Zeit ...
...eine Zeit, in der Sie sich die Ablehnung leisten konnten?
Sicher. In der DDR, da habe ich immer gewußt, mit wem ich's zu tun habe, da fanden die Kämpfe statt, bevor ich einen Film drehte, aber dann war das auch erledigt. Heute fühle ich mich ständig kontrolliert, der Zensur der Einschaltquoten unterworfen. Die große Freiheit nach der Wende ist eine einzige Lüge. Aber ich möchte mein Handwerk ausüben, und von irgendwas muß ich schließlich auch leben.
Heiner Carow – ein Ossi mehr, der sich kapitalistischen Westzwängen angepaßt hat?
Im Augenblick weiß ich einfach nicht, was ich für einen Film machen sollte, mit was für einem Stoff ich die Leute erreichen könnte. Wäre das anders, würde ich alles daransetzen, diesen Film zu verwirklichen, so lange kämpfen, bis ich das Geld dafür bekäme.
Woher kommt die Blockade im Kopf?
Meine Filme hatten immer ganz viel mit mir, mit der Wahrnehmung meiner Umgebung zu tun. Jetzt ist für mich die Wirklichkeit oft merkwürdig, unverständlich und unvertraut. Die Vereinzelung der Menschen, das hohe Aggressionspotential, die Brutalität untereinander, da stürmt viel auf mich ein, wozu ich noch mehr Abstand brauche.
Regeneration beim Fernsehen?
Natürlich habe ich mich mit dieser Serie auseinandergesetzt, und ich kann mich damit identifizieren: Ich habe versucht, über 13 Folgen ein Stück Leben zu erzählen, die Alltagssorgen der kleinen Leute im Osten nach der Wende.
Also eine realistische und damit auch politisch angehauchte Serie der ARD?
Ich weiß nicht, wie die ARD das sieht, aber selbstverständlich gibt es auch politische Aspekte. Zum Beispiel gibt es eine Liebesbeziehung zwischen der Anwältin aus dem Osten und einem Banker aus dem Westen. Da kommt es in einer Folge zu einer heftigen Auseinandersetzung über das, was war, und das, was ist.
Können Sie sich vorstellen, mit einer TV-Serie Diskussionen in Gang zu bringen, etwa wie mit Ihrem Kultfilm „Die Legende von Paul und Paula“?
Nein. Aber das liegt daran, daß niemand mit Fernsehserien Diskussionen auslösen will. Interview: Sabine Paul
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