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Sikh-Schwadrone melden sich zurück

■ Der Regierungschef der „befriedet“ geglaubten indischen Sikh-Provinz Punjab bei einem Bombenanschlag getötet

Delhi (taz) – Der Ministerpräsident des indischen Bundesstaates Punjab, Beant Singh, ist am Donnerstag abend bei einem Autobombenanschlag getötet worden. Die Explosion erfolgte, als Singh vor dem Amtsgebäude der Provinzregierung in sein Auto steigen wollte. Die schwere Explosion zerfetzte die drei Begleitautos, tötete zwölf Begleiter des Politikers, riß ein großes Loch in das Portal und ließ alle Scheiben des Gebäudes bersten.

Zu dem Anschlag bekannte sich die militante Sikh-Organisation „Babbar Khalsa“ – eine der wenigen Überreste der diversen Gruppen, die in den 80er Jahren im Punjab für einen unabhängigen Sikh- Staat namens „Khalistan“ kämpften. Die äußerst effektive Antiterror-Kampagne der Regierung rieb fast alle Gruppen auf – auch „Babbar Khalsa“ konnte nur im Ausland überleben. Es werden ihr Kontakte nach Kanada nachgesagt, wo viele Sikhs leben.

Die Nachricht vom Tod des 73jährigen Politikers wurde im ganzen Land mit Erschrecken und Ungläubigkeit aufgenommen. Premierminister Narasimha Rao sprach von einem „großen Schock“ und sagte, die Attentäter seien „Leute, die ihren Verstand verloren haben“. In der indischen Hauptstadt Neu-Delhi wurde die Polizei in Alarmbereitschaft versetzt. Die Reaktionen zeigen, daß Indiens Regierung und öffentliche Meinung das „Punjab-Problem“ längst für beendet gehalten hatten. 1991 waren noch über 700 Menschen im Punjab durch politische Gewalt ums Leben gekommen, 1992 waren es gar 995 – aber 1993 fiel die Zahl auf 38 zurück, und im letzten Jahr waren es auch nur 72. Es war Beant Singh gewesen, der diesen Erfolg der indischen Politik zustande gebracht hatte.

Er ließ sich 1991 zum Chefminister wählen, und auch wenn die Wahlbeteiligung nur bei 20 Prozent lag, konnte er demokratische Legitimität beanspruchen. Hinter seinem Image von bäuerlicher Einfachheit verbarg sich eine kompromißlose Härte gegenüber den Sikh-Separatisten: Der gefürchtete Polizeichef des Punjab, K.P.S. Gill, durfte ungehindert die Philosophie anwenden, der Terrorismus könne nur mit dessen eigenen Mitteln besiegt werden. Das trug ihm zwar die Kritik von Menschenrechtsgruppen ein, aber die Methode schien Erfolg zu bringen – bis Donnerstag. Für Indiens Premierminister Narasimha Rao ist der Anschlag ein großer Verlust, denn die „Befriedung“ des Punjab war einer seiner großen Erfolge gewesen. Bernard Imhasly

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