Zum Wein darf's nur das Akkordeon sein

■ Beim Stuttgarter Weinfest tobt der Musikantenkrieg: Was paßt zum Viertele?

Stuttgart (taz) – „A Fescht“ (ein Fest) nennen die Schwaben, wenn mehr als einer am Tisch sitzt. Stehen zehn Tische in der Kneipe, sitzt an jedem ein Schwabe. Kommt der elfte herein. „S'isch voll“ (alles schon besetzt), sagt er und geht wieder. So weit normal. Aber einmal im Jahr geraten sie in Stuttgart aus dem Häusle, stellen Tische und Stühle auf den Marktplatz und rücken so eng zusammen, wie es nur geht. Elf Tage lang hocken im „Stuttgarter Weindorf“ die Vierteles-Schlotzer beieinander und sinnieren darüber, warum der Trollinger nur schmeckt, wenn man ihn mit dem Lemberger mischt.

In diesen Tagen ist es noch lustiger im Städtle als sowieso, weil eben auch viele Fremde vorbeischauen (eine Million Besucher) und laut lachen. In dieses einheimische sinnierende Gemurmel und fremde Gelächter mischten sich bisher immer noch Klänge eines Ziehharmonikaspielers. Fast jeder der Weinwirte hatte einen Quetschkommandanten engagiert, und der mußte – dafür wurde er gut bezahlt – von morgens bis abends Lieder singen wie dieses: „Z'Lauterbach han i mein Strompf verlora.“

Das ging 18 Jahre lang gut, bis es in diesem Jahr den Korken aus der Flasche drückte. Zwei der insgesamt 32 Festwirte haben sich erlaubt, statt der weinseligen Schrammelmusik moderne Jazzmusik aus den zwanziger Jahren zum Wein zu servieren. Kaum hatte das Fritz Currie gehört (er heißt wirklich so), schrie er „heidanei ond mordio!“, beschwerte sich bei der Feschtleitung, und seither tobt auf dem Weindorf – morgen geht's leider schon zu Ende – der Musikantenkrieg.

Welcher Wein zu welcher Musik? Alle singen mit, alle haben eine Meinung, nie war es auf dem Weindorf so lustig. „Ich bin ein Musikante und komm' aus dem Schwabenland“, brüllt's aus der Laube von Fritz Currie, und von drüben, aus der Laube von Jörg Bühler, antwortet's: „Lieber doof als Gaby heißen.“ Michael Gaedt (Kleine Tierschau) steht auf dem Tisch und schreit sich die Seele aus dem Leib.

Der Trick der „Ziehharmonika-Fraktion“, die beiden aufmüpfigen Jungwirte musikalisch zu disziplinieren, ist die Stuttgarter „Käbeles-Verordnung“. Danach ist es verboten, auf dem Weindorf Musik elektronisch zu verstärken. Einer der Wirte muß nun sogar 5.000 Mark Strafe zahlen, sollte in seiner Hütte mit der Swing-Musik nochmals ein Elektrokabel gesichtet werden. Doch Michael Gaedt gab's den Jodlern hart zurück: Am Mittwoch abend zeigte er, wie man Krach auch ohne Mikrofon macht: Bierkisten flogen scheppernd durch die Luft, Gläser klirrten, Tische krachten zusammen... Morgen wird abgebaut und der Streit bis zum nächsten Jahr begraben. Wie sang Hans Moser doch beim Heurigen: „Es wird ein Wein sein, und mir wern nimmer sein...“ Philipp Maußhardt