Hü oder hott, Frau Leutheusser?

Die FDP-Justizministerin droht leise, aber auch nur ganz leise mit ihrem Rücktritt, falls die Parteimitglieder für den Großen Lauschangriff stimmen. Entscheidung im Herbst  ■ Aus Bonn Karin Nink

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erwägt ihren Rücktritt, falls die Mehrheit der FDP-Mitglieder bei der bevorstehenden Befragung für den sogenannten Großen Lauschangriff stimmt. Es sei entscheidend, wie und mit welcher Person nach der Mitgliederbefragung noch glaubwürdig für die FDP Politik betrieben werden könne, sagte sie am Donnerstag abend vor Journalisten in Bonn. Der Große Lauschangriff ist ein geplantes Gesetz, mit dem das Installieren von Wanzen in Privatwohnungen gestattet werden soll. Leutheusser-Schnarrenberger hält die Freigabe des Abhörens in Wohnungen für „die Teilaufgabe eines wichtigen Grundrechts“. Das sei mit liberaler Politik nicht vereinbar. „Es geht bei der Mitgliederbefragung auch darum, wie weit die FDP ihren Anspruch aufgibt, Bürgerrechtspartei zu sein.“

Die Ministerin hatte schon einmal vor dem FDP-Parteitag in Mainz die Fortsetzung ihrer Arbeit von der Unterstützung der Parteibasis abhängig gemacht. Damals mit sehr viel Erfolg: Sie avancierte in Mainz zur Lichtgestalt für den Bürgerrechtsflügel der Partei.

Sie lehne es zwar ab, den Entscheid zum Großen Lauschangriff mit einer Personenfrage in Verbindung zu bringen, aber die Mitglieder sollten sich schon fragen, „wer glaubwürdig ihre Politik vertritt“, meinte die Ministerin am Donnerstag. In den Führungsgremien der Partei habe sie deutlich gemacht, daß sie das Ergebnis der Mitgliederbefragung zwar in jedem Fall als bindend ansehe. Es sei aber die Entscheidung eines jeden einzelnen Liberalen, wie er damit umgehe. Die Politikerin kann sich außer dem Ausspähen von Personen keine Maßnahme vorstellen, die massiver in die Privatsphäre der Menschen eingreift. Das Abhören treffe nicht nur Verbrecher, sondern „breite Kreise unschuldiger Bürger“. „Wenn wir wissen, daß jemand ein Gangster ist, brauchen wir ihn nicht abzuhören, sondern können ihn direkt festnehmen.“ Die Frage des Großen Lauschangriffs sei „eine Frage der Liberalität“.

Selbst wenn die FDP, die sich per Parteitagsbeschluß gegen den Großen Lauschangriff ausgesprochen hat, nun durch die Mitgliederbefragung im Herbst zu einem anderen Ergebnis komme, sieht Leutheusser-Schnarrenberger da „strategisch keinen Vorteil“. „Es wird Leute geben, die uns deswegen nicht mehr wählen“, sagte die Ministerin und zitierte eine Emnid-Umfrage, wonach sich 63 Prozent der befragten Männer und Frauen gegen das Abhören von Wohnungen ausgesprochen haben. Im übrigen habe die Bevölkerung im Moment ganz andere Sorgen.