■ On the road – Geschichte in Straßennamen (9)
: Pfaffenschlupfloch

Rot und Schwarz. Zwei Farben, erstmal. Dann Literaturgeschichte: Stendhal. Stark symbollastige Romantitelgebung. Rot und Schwarz, Kirche und Armee. Zwei Welten für sich, erst recht im 19. Jahrhundert Stendhals und früher. Privilegien schimmern auf, altehrwürdige und nichtswürdige Rituale, argwöhnisch gehütete Geheimnisse, undurchdringliche Mysterien. War schon immer so; soll man nicht nach fragen. Wird schon seine Richtigkeit u.s.w.

In einem Wort: Bischofsnadel.

Ursprünglich Bischofsnatel. Worunter 1274 – als die Natel erstmals urkundlich erwähnt wird – eine Pforte zu verstehen ist. Ein enger Privat-Auslaß aus der Stadtmauer. Die Kennkarte besaß allein der Erzbischof. Anlässe, zu unchristlichen Tages- und Nachtzeiten die – verschlossene – Stadtmauer zu verlassen, dürfte es genug gegeben haben: konspirative, triebgesteuerte, sonstige.

„Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher ins Himmelreich“, bemerkte M. Luther später. Was er damit wohl meinte? Über seine etwaige Nähe zu Nähkursen ist nichts bekannt. Die Bildlichkeit lappt wohl doch eher ins Architektonische. Eben in die Lücke im Stadtmauergestein, durch die der Mann im roten Talar spazierte. Bis 1522. Als der Bau des Walles den Sonderzu- und ausgang unbrauchbar machte. Bis 1814. Als eine Brücke über den Stadtgraben die alte klerikale Herrlichkeit wiederherstellte. Bischofsnatel-Revival? Zu kurz gedacht. Gleich ein Bischofstor mußte her, nebst zugehörigem Wachthäuschen. Das steht noch heute an der Bischofsnadel, keiner drin, der Nicht-Bischöfe vom Weitergehen abhält. Höchstens, daß der ein oder andere sich den dargebotenen Johannisbeer- oder Kirsch-Streusel-Stücken ergibt. Rot und Schwarz, geheimnislos, mysterienledig, kalorienhaltig. Mu