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Wortschleifen rund um die Uhr

Seit einer Woche funkt das neue „InfoRadio“ den totalen Nachrichtenüberblick. Das Programm wird professionell durchgezogen von Machern, die einst radiophone Weltverbesserer waren  ■ Von Ilona Marenbach

Günther von Lojewski hat Grund zur Freude: „Als ich Intendant geworden bin, habe ich Berlin ein Inforadio versprochen“, erinnert sich der SFB-Intendant. Jetzt ist es da, und es funktioniert. Seit einer Woche sendet das ORB/ SFB-Gemeinschaftprogramm InfoRadio „Nachrichten rund um die Welt, rund um die Uhr“. Der Slogan ist zwar nicht neu, doch „wir wollten das Radio ja auch nicht neu erfinden“, erklärt Werner Voigt, stellvertretender Chefredakteur der Newswelle.

Bei InfoRadio wird Bewährtes – wie das ARD-Korrespondentennetz – mit Neuem – wie reisendem Wetterreporter – zu einem 24stündigen Wortgeflecht verknüpft, das ganz ohne Musikteppich auskommt. Alle 20 Minuten, beginnend mit der vollen Stunde, wird ein aktueller Nachrichtenüberblick geboten, garniert mit Service, Wetter und Verkehr. In diese Wortschleifen werden Berichte, Interviews und Gespräche eingehängt. InfoRadio ist nicht zum Dauergebrauch geeignet. Es ist ein sogenanntes Zweitmedium, das gezielt eingeschaltet und alsbald wieder ausgeschaltet wird. ORB- Intendant Hansjürgen Rosenbauer rechnet mit durchschnittlich 40 Minuten Hördauer.

Nach dem Ende des privaten Info 101 ist dies nun der zweite Anlauf, in der Region ein Wortprogramm auf die Beine zu stellen. Diesmal unter öffentlich-rechtlicher Regie. „Das Kind wird uns viel Freude machen“, wußte SFB- Chef Lojewski schon im Vorfeld. Dabei mußte er zur Vaterschaft des News-Bengels fast gezwungen werden, denn ursprünglich wollte er lieber mit dem – ihm politisch näherstehenden – Mitteldeutschen Rundfunk kooperieren. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) hatte sich seinerzeit geweigert, diesem überregionalen Bündnis die notwendige Frequenz zuzuordnen. Mit sanfter Gewalt wurde der SFB in die Ehe mit der benachbarten Landesrundfunkanstalt ORB getrieben.

In zähen Verhandlungen entwickelten die Partner eine Geschräftsgrundlage mit strengem Proporz. Jährlich wechselnde Federführung und gleichmäßige Besetzung der Planstellen sollen verhindern, daß eine Partei das Gemeinschaftsprojekt dominiert. Nichts wäre für den SFB-Chef peinlicher als ein Nachrichtensender, der politisch nach links ausschlägt. Ist die Berliner CDU doch gerade für ihre Leidenschaft bekannt, bis auf die Sekunde genau nachzuzählen, welche Partei wieviel Sendezeit „bekommen“ hat. Noch schlimmer wäre es, bemächtigten sich die legendären roten Socken, die einige Westberliner Rundfunkräte immer noch im ORB vermuten, des sensiblen Mediums.

Doch diese Angst kann den SFB-Räten genommen werden: InfoRadio ist kein Fall für die Gauck-Behörde, es ist bloß das Auffangbecken für frustrierte SFB-Mitarbeiter und ehemalige Redakteure des Alternativsenders Radio 100, der 1991 in Konkurs getrieben wurde. Angefangen beim stellvertretenden Chefredakteur Werner Voigt, der schon zu Radio- 100-Zeiten für Nachrichten (allerdings etwas andere) zuständig war. Die InfoRadio-Besetzungsliste spiegelt die bunte Welt der Radio- 100-Redaktionen wider. Ob Jan Lerch, Torsten Mandalka, Martina Habersetzer, Harald Asel, Wolfram Haack, Cornelia Haring, Ari Gosch oder viele andere, sie alle haben im Radio 100 geübt. Damals allerdings mit klarem politischem Anspruch. Doch davon ist nichts mehr übriggeblieben.

Es tut schon weh, einen ehemaligen Radio-100-Politikredakteur als Provinzreporter oder einen exzellenten Kulturredakteur als freundlich salbadernden Wetteronkel auf InfoRadio wiederzuhören. Sie alle tragen nun dazu bei, das Günther von Lojewski (CSU) sagen kann: „Wir wollen der Hauptstadt geben, worauf sie Anspruch hat.“ Information pur, aktuell und kompetent. Hansjürgen Rosenbauer sieht mit Spannung auf die Abgeordnetenhauswahlen im Oktober. Das werde der „erste heiße Test für die Redaktion“. Dann könne sie beweisen, daß sie „überparteilich informieren kann“.

Bislang gibt es keinen Grund zur Annahme, daß sie das nicht kann. Ob sie bis dahin allerdings durchhält, steht auf einem anderen Blatt. Die Anforderungen an die 35 festen und ebenso vielen freien Mitarbeiter sind hoch, die Honorare vergleichsweise niedrig. Das gläserne Studio am Theodor- Heuss-Platz ist zwar voll digital – Bandmaschinen sucht man hier vergebens –, an genügend Schreibtische und Telefone für freie Mitarbeiter haben die Planer jedoch nicht gedacht.

Info-Radio, flucht so mancher, ist „eine Single-Durchziehmaschine“. Nur Leute ohne Familie oder solche, die auf ein Privatleben keinen Wert legen, können sich das zeitlich ausufernde Berufsleben leisten. Das war auch schon beim Vorgängermodell Info 101 nicht anders. Nach den ersten euphorischen Sendewochen gab es vermehrt Krankmeldungen, Zusammenbrüche und Urlaubsanträge.

Mag sich innerhalb der Räume von InfoRadio „das ganze Chaos live“ abspielen, im Programm ist davon (fast) nichts zu hören. Wer innerhalb kurzer Zeit einen Überblick über die aktuelle Nachrichtenlage haben will, der ist bei InfoRadio richtig. Dazu trägt nicht zuletzt das weltweit gespannte ARD- Korrespondentennetz bei. Ein „eigenes“ Profil hat InfoRadio allerdings noch nicht entwickelt – das Konzept für die lokale und regionale Berichterstattung, die noch etwas dödelig daherkommt, scheint noch in der Schublade zu liegen. Erst Ansätze, ein Thema nicht nur abzuhaken, sondern Nachrichten über den Tag hinaus fortzuschreiben, mit unterschiedlichen Akteuren ins Gespräch zu kommen, sind aber erkennbar.

Ein Nachrichtenradio ist in der Region Berlin-Brandenburg längst überfällig. Elf private und zahlreiche öffentlich-rechtliche Musikwellen haben dem Ruf des Hörfunks geschadet. Immer mehr Hörer schalten nicht mehr um, sondern gleich aus. Mit InfoRadio haben ORB und SFB den Grundversorgungsauftrag ernst genommen.

InfoRadio kann man auf UKW 93,1 hören.

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