Suizid unter Aufsicht

■ 35jähriger starb in Ausnüchterungszelle der Polizei / Falsche Diagnose ist möglicherweise für Tod mitverantwortlich

Unter Polizeiaufsicht ist ein 35jähriger Mann gestorben – offenbar weil in der Gefangenensammelstelle der Polizei in der Kruppstraße die diensthabende Ärztin eine falsche Diagnose gestellt hat. Der Mann war in der Nacht auf den vergangenen Samstag Passanten aufgefallen, weil jener in der Lehrter Straße hilflos auf dem Boden lag. Eine von ihnen alarmierte Funkstreife fuhr den Mann in die Kruppstraße. Die diensthabende Ärztin hielt nach einer Untersuchung den 35jährigen lediglich für betrunken und wies ihn in die Ausnüchterungszelle ein. Wenige Stunden später, um 5.20 Uhr, stellte ein Polizist bei einer Kontrolle in der Zelle den Tod des Mannes fest.

Offenbar war die Diagnose der diensthabenden Ärztin falsch. Denn drei Stunden nach dem Tod des 35jährigen meldete sich dessen Ehefrau bei der Polizei. Sie hatte einen Abschiedsbrief ihres Mannes gefunden. Nun vermutet die Polizei, daß der Mann Suizid begehen wollte und deshalb nicht nur Alkohol getrunken, sondern auch Medikamente eingenommen hat. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen.

Es passiere immer wieder, daß hilflose Personen in Polizeigewahrsam sterben, weil dort die Aufsicht ungenügend sei, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Bernd Köppl, auf Anfrage. Weil im Zweifelsfall die Einnahme von Medikamenten bei einer Diagnose nicht festgestellt werden könne, müßten die in Gewahrsam genommenen Personen halbstündig geweckt werden, um deren Gesundheitszustand zu überprüfen. Werden diese nicht mehr wach, müssen sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden.

Doch bei der Polizei sei die Kontrolle häufig mangelhaft, sagte Köppl. Auch wenn das Aufwecken schwierig und unangenehm sei, weil viele der in Gewahrsam genommenen sich erbrochen haben und eingekotet sind, müsse die Polizei ihrer Aufsichtspflicht trotzdem nachkommen. Dirk Wildt