Wo ist das „Memphis der Wetterau“?

Friedberg widmet dem Rock-Idol Elvis Presley Platz, Park und Gedenktafel, denn hier hat er gedient. Bad Nauheim errichtet ihm zum Gedenken eine Stele mit Büste, denn hier hat er gewohnt  ■ Aus Friedberg Heide Platen

Der Regen nieselte am Samstag morgen stetig auf bunte Regenschirme, spitze Cowboystiefel, pomadige Haartollen und Petticoats. Bürgermeister Bayer (CDU) kam im silbergrauen Cadillac. Vorweg marschierte die 1. Brigade der US Army mit Tschingderassabumm durch die mittelhessische Kleinstadt Friedberg. Seite an Seite schritten Bayer und der US-Oberst Fonteneau zur Enthüllung einer Gedenktafel für das Rock-'n'-Roll- Idol Elvis Presley und tauften eine kleine, schlammige Grünfläche an der Kaiserstraße im Zentrum „Elvis-Presley-Platz“. Als Begleitmusik fetzte „Tutti Frutti“, schluchzte „Baby Let's Play House“, schmalzte „Love Me Tender“ aus den Lautsprechern. Ein Elvis-Imitator in schwarzem Leder schwenkte sein Pelvis, gemessen am Original, eher zurückhaltend. Bayer erinnerte an die Zeit von 1958 bis 1960, als Elvis Presley, „der bekannteste Soldat, der je in dieser Stadt gedient hat“, scharenweise kreischende Teenager und aufmüpfige „Halbstarke“ in die Wetterau lockte. Erzählte den geduldig ausharrenden Fans aller Alterstufen vom American Dream der fünfziger Jahre, von Softeis, Chewing-gum, Hamburgern und Baseball, vom „manchmal sehr wilden Leben in der Altstadt“, wo die „überschäumende Lebensfreude junger Männer“ außer zu deutsch-amerikanischer Freundschaft auch zu „handfesten Prügeleien“ geführt hatte.

Der 23jährige GI Elvis Aaron Presley, den der Lokalchronist Heinrich Burk in „Elvis in der Wetterau“ als bescheiden, verängstigt und schüchtern beschreibt, hatte daran wohl weniger Anteil als sein Clan, allen voran Papa Vernon und die beiden Leibwächter. Saufgelage, Liebschaften und Randale spielten sich allerdings vor allem im benachbarten Bad Nauheim ab, wo der Dollarmillionär seinen Troß einquartiert hatte.

Dort war vor einer Woche, feierlich und trocken, ein Elvis- Denkmal aus schwarzem Granit nebst fest eingearbeiteter weißer Marmorbüste eingeweiht worden. „Eine Stele“, so der Bad Nauheimer Pressesprecher Unkel, „weil eine Büste nur ständig von den Fans geklaut würde.“ Von einer Städtekonkurrenz um den Titel des „Memphis der Wetterau“, so Bayer am Samstag, sei aber, trotz anderslautender Meldungen, ganz und gar nicht und nie und nimmer die Rede gewesen. Man wolle sich den Ruhm gutnachbarlich teilen.

Konkurrenz zu Bad Nauheim? Da schüttelt auch Elvira Spohn, „Fan seit vielen Jahren“, die roten Locken unter der Elvis-Kappe: „Wir sind alle Freunde!“ Sie wirbt Mitglieder für den „Elvis-Presley- Freundeskreis in Gründung“, will Stadtführungen organisieren für „die Leute, die seit Jahren hierherpilgern, aber immer nur zur Kaserne gehen“. Dort ist, bedauert sie, das 1978 eröffnete kleine Elvis- Museum wieder verschwunden: „Die Exponate sind auch weg.“ Dort benennt die wieder abmarschierte US Army „gerade in dieser Minute“ eine Grünanlage vor dem Kasernengelände der Ray Barracks zum Elvis-Presley-Park um. Wer „da oben am Berg“ feiert, weiß Elvira Spohn auch nicht so genau: „Das ist immer ein bißchen schwierig mit den Amerikanern.“ Die Fans, die aus der ganzen Bundesrepublik angereist sind, sind sich aber sicher, daß Elvis das Fest auf dem Friedberger Marktplatz am besten gefallen hätte. Da dampften nämlich mit viel Holzkohlenqualm seine allerfettigsten Lieblingsspeisen: Hot dogs mit Sauerkraut, rote Chilibohnen, Spareribs, dazu Tacos, Popcorn, Peanutbutter-Gelee-Sandwiches. Der Teeladen bietet Elvis-Tee an, Sorte egal, aber immer mit einem ordentlichen Schuß Cognac. Vier Tage lang feierte Friedberg Presley, diese Synthese aus Country & Western, Rhythm & Blues, über die der weiße Südstaatler Asa Carter 1955 schäumte: „Durch den Rock 'n' Roll wird der weiße Mann auf das mindere Niveau des Negers erniedrigt.“

Elvis Presley verabschiedete sich im März 1960 – das mag die Friedberger doch ein bißchen mopsen – nur von Bad Nauheim als seiner „zweiten Heimatstadt“ zu seiner zweiten Karriere, die in Einsamkeit, Freß- und Drogensucht und, so Bürgermeister Bayer, „mit seinem tragischen Tod“ endete, der ihn „aus der Masse heraushob“.