Neue Vorsitzende und alte Gräben

■ Frankfurter SPD wählte Rita Streb-Hesse zur Vorsitzenden und bestätigte knapp Fraktionsführung im Amt

Frankfurt/Main (taz) – Die Frankfurter SPD gleicht einer „an die Wand gefahrenen Karre“. Dieser Selbstdiagnose einer Delegierten mochte auf dem Unterbezirksparteitag am Wochenende keiner so richtig widersprechen. Nun soll eine Frau die Karre wiederflottmachen. Mit 161 von 233 abgegebenen Stimmen wählten die Frankfurter Sozialdemokraten die Landtagsabgeordnete Rita Streb-Hesse zur neuen Vorsitzenden des Unterbezirks. Für ihren Gegenkandidaten Roland Frischkorn votierten nur 69 Delegierte. Ex-OB Rudi Arndt, der von einigen Genossen als Kandidat vorgeschlagen worden war, hatte sich zuvor für eine Urwahl der Parteispitze ausgesprochen. Doch daran hatte eine Mehrheit der GenossInnen kein Interesse. Streb-Hesse kündigte nach ihrer Wahl an, dafür sorgen zu wollen, daß die GenossInnen in Frankfurt wieder „herzlicher und menschlicher“ miteinander umgehen. Das Ziel erscheint fast unerreichbar nach all den erbitterten Debattenbeiträgen verbitterter GenossInnen auf dem Parteitag. Denn während die eine Hälfte der Delegierten mit der Fraktionsführung im Römer und den eigenen Magistratsmitgliedern abrechnen wollte, hielt die andere Hälfte den schwer angeschlagenen Mandatsträgern und den Dezernenten tapfer die Stange. Im Kreuzfeuer der Kritik stand dabei der Fraktionsvorsitzende der SPD im Römer, Günther Dürr. Vor allem Delegierte aus den Ortsvereinen forderten vehement den Rücktritt von Dürr und seinen beiden StellvertreterInnen vom Fraktionsvorstand, weil dieser Fraktionsvorstand nicht in der Lage gewesen sei, die „vier Schweine“ in den eigenen Reihen zu bändigen und damit die rot-grüne Koalition im Römer zu retten. Doch Dürr wehrte sich mit Zähnen und Klauen dagegen, als „Sündenbock“ in die Wüste geschickt und dort „gesteinigt“ zu werden. Er ging in die Offensive: Ihm sei bekannt, daß bereits bei der gescheiterten Wahl von Lutz Sikorski von den Bündnisgrünen zum Umweltdezernenten (1993) „mindestens zwei Grüne“ gegen den grünen Kandidaten gestimmt hätten. Und weil das auch im März 1995 bei der verpatzten Wiederwahl von Gesundheitsdezernentin Margarete Nimsch der Fall gewesen sein könnte, so Dürr, übernehme er dafür ganz bestimmt nicht die Verantwortung –, auch nicht dafür, daß der Genosse Kalle Berkemeier vor der entscheidenden Abstimmung im Römer in Kur fuhr.

Die Abstimmung über den Rücktritt der Fraktionsspitze fiel äußerst knapp aus. 116 GenossInnen wollten Dürr und Kollegen zum Rücktritt zwingen – 120 votierten dagegen. Der so dokumentierte Riß durch die Partei sei „in etwa so tief wie der Vitiazgraben im Pazifik“, kommentierte ein verzweifelter Delegierter das Abstimmungsergebnis. Klaus-Peter Klingelschmitt