piwik no script img

Cocktailparty für den Frieden

Der Dalai Lama erwies sich bei der Eröffnung der Friedensuniversität als Publikumsmagnet. Bei dem einmonatigen Veranstaltungsmarathon wird Frieden als Trip in die Innerlichkeit geboten  ■ Aus Berlin Dorothee Winden

„Es ist wie eine Cocktailparty“, sagt Dan, ein 44jähriger Amerikaner, über die Podiumsdiskussion, mit der am Freitag abend in Berlin die Friedensuniversität eröffnet wurde. „Die Zusammenstellung ist abenteuerlich, einfach unglaublich“, tuschelt eine Berliner Buddhistin zwei Plätze weiter. Da sitzt das geistige Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, an einem Tisch mit Robert McNamara, der als US-Verteidigungsminister den Vietnamkrieg führte. Mit von der Partie sind außerdem: die Schriftstellerin Luise Rinser, der indische Philosoph Karan Singh, Adam Yauch von der Rap-Rock-Gruppe Beastie Boys, die Friedensnobelpreisträgerin Betty Williams, der Friedensforscher Johan Galtung und Peter Maffay.

Der Schnulzensänger mit dem lockigen Nackenspoiler wird allerdings ein wenig stiefmütterlich behandelt. Für ihn ist auf dem dichtbesetzten Podium kein Stuhl mehr frei, er muß in der zweiten Reihe Platz nehmen. „Peter Maffay in die erste Reihe!“ fordern die Mitglieder des jeansjackenbekleideten Fanclubs im Publikum lautstark, aber ohne Erfolg.

Alle anderen haben nur Augen für Seine Heiligkeit, den Dalai Lama. Er wird mit „stehenden Ovationen“ empfangen. Der Dalai Lama betritt in seinem roten Gewand die Arena, die Hände vor der Brust gefaltet, und lächelt sein unvergleichliches Lächeln. Das Zirkuszelt, in dem die Veranstaltung stattfindet, ist brechend voll. Gegenüber der Bühne schwenkt jemand beharrlich ein Transparent: „Free Tibet!“

„Wir können den Krieg überwinden“, erklärt der Dalai Lama. „Es ist wichtig, den Enthusiasmus und den Willen dafür lebendig zu halten“, sagt er mit geballter Faust. „Wenn uns das gelingt, wird das 21. Jahrhundert ein friedlicheres und glücklicheres werden.“

Die Idee der Friedensuniversität, Menschen mit verschiedenem Hintergrund zusammenzubringen, damit daraus etwas Neues entsteht, wird an diesem Abend nur bedingt eingelöst. Die Debatte, die die überwiegend älteren Herren auf dem Podium führen, gleicht einer Cocktailparty, auf der der Alkohol ausgegangen ist. Anfangs, als der Dalai Lama spricht, hört das Publikum noch gebannt zu, doch danach breitet sich zunehmend Langeweile aus. Nur McNamara, dem so mancher die Wandlung zum Friedenskämpfer nicht abnehmen will, erntet einige Buhrufe. Luise Rinser fühlt sich dadurch, daß jungen Männern in Deutschland die Verweigerung des Kriegsdienstes erschwert wird, an das Dritte Reich erinnert. Die Jugend werde von der Straße geholt, um die Arbeitslosigkeit zu vertuschen, so Rinser. Für den hanebüchenen Vergleich erhält die Schrifstellerin verhaltenen Beifall.

Fragt man TeilnehmerInnen der Friedensuniversität, was sie aus dem gesamten Bundesgebiet hierhergelockt hat, so antworten fast alle, daß sie einmal den Dalai Lama erleben wollten. „Sonst wäre ich wohl nicht gekommen“, sagt eine junge Buddhistin im schwarzen, geblümten Sommerkleid. Die 26jährige Biologie-Studentin aus Kiel ist „sehr beeindruckt“ von den Referenten, die am Samstag morgen über „Innere Abrüstung“ diskutieren. „Denn sie verkörpern das, was sie sagen.“

Ohne inneren Frieden kann es keinen äußeren Frieden geben, lautet eine der Grundüberzeugungen der Friedensuniversität. Wenn wir uns verändern, wird sich die Welt verändern. Auch wenn das Programm versucht, Politik und Spiritualität zusammenzubringen – zum Eröffnungswochenende haben sich vor allem jene eingefunden, die einen Draht zum Spirituellen haben. Viele deutsche BuddhistInnen, vereinzelte Bhagwan-AnhängerInnen und eine Berliner Theologin, die sich vor allem wegen der morgendlichen Meditation angemeldet hat.

Viele, die an diesem Samstag morgen zwischen Büchertischen und Kaffeeausschank wandeln, scheinen sich zu kennen. Mit rund 500 Besuchern ist der Zuspruch geringer als am Vortag. Immerhin kostet die Tageskarte 168 Mark. Zwischen Tibet-Kalendern und Postkarten gibt es für drei Mark auch einen Button mit dem Konterfei des Dalai Lama. Die Kommerzialisierung Seiner Heiligkeit steht in einem gewissen Widerspruch zu dem Respekt und der Verehrung, die ihm allseits entgegengebracht werden.

„Ich finde die Atmosphäre hier gut“, sagt ein Ingenieur aus Aachen, der mit drei Freunden angereist ist. Der 37jährige will Ram Dass hören, einen Sozialwissenschaftler, der in Harvard lehrte und das menschliche Bewußtsein mit Hilfe von Psychedelika erforscht hat. Freunde hätten ihm gesagt, Ram Dass sei ein „toller Lehrer“, erzählt der Ingenieur. Eine 60jährige pensionierte Sekretärin im rosa Pullover hat das Programm der Friedensuniversität zufällig nach einem Opernbesuch entdeckt und hat sich mit ihrem Mann daraufhin für den ganzen Monat angemeldet.

Drinnen tanzt derweil die evangelische Mädchengruppe „Jugend mit Zukunft“ einen Tanz für den indischen Gott Ganesha. Dan, der ein Greenpeace-T-Shirt trägt, findet es verfrüht, jetzt schon konkrete Ergebnisse zu erwarten. „Wenn du in ein buddhistisches Zentrum gehst, kannst du in den ersten zwei Tagen keinerlei Sinn erkennen“, meint er, „aber nach vier Wochen kommt alles zusammen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen