Ahab aus Wanne-Eickel

■ Die Protestflotte vor dem Moruroa-Atoll

Die Seeschlacht vor Moruroa wird zur Medienschlacht. Die französische Marine hat bei der Kaperung der Greenpeace-Flotte mit eigenen Kameras versucht, anhand von Gegenbildern Greenpeace auf dessen eigenem Terrain zu schlagen. Der militärische Piratenakt live on stage. Und dennoch hat der Öko-David gesiegt. Greenpeace kann nur gewinnen, der Sympathiebonus des wackeren Kleinen im Kampf gegen die Atomiker ist beachtlich. Und den Nuklear-Schurken macht auch die beste TV-Show nicht vergessen.

Es ist erstaunlich und großartig, wie eine Handvoll Umweltaktivisten mit ihren zwei Jollen die Weltnachrichten bestimmen. Jahrelang hatten Atombombentests die Aufmerksamkeit einer Mitteilung des Bundes der Steuerzahler, und jetzt dieser Mediensturm.

Doch während Greenpeace auf der Sympathiewelle surft, werden die Atom-Touristen auf den „zivilen“ Protestschiffen mit Häme überschüttet. Der Spott gilt dem Spießer in Bermudashorts mit eisgekühltem „Tequila Sunrise“, Videokamera, Bierwampe und Trudchen im Arm auf dem Weg zur Bombe. Ganz toll zum Atoll. Südseeabenteuer als Reality-Show, Baccardi-Feeling in Echtzeit, gesponsert von Großverlagen. Igittigitt!

Bei all dem Gelächter über Kapitän Ahab aus Wanne-Eickel wird allerdings nirgendwo gesagt, was am Atomprotest des gemeinen Gutmenschen so verwerflich ist. Soll die „Spießerflotte“ statt mit Greenpeace aufs Atoll lieber mit Neckermann nach Mallorca segeln? Stimmt dann unser Weltbild wieder? Was treibt den Kommentatoren soviel Schaum vor den Mund?

Hätte man den Baccardi-Demonstranten vorher klarmachen sollen, daß Protest in Deutschland keinen Spaß machen darf? Daß sie Bermudashorts und Hawaiihemd mit Sack und Asche tauschen müssen? Daß der Widerstand gegens Atom eine todernste Sache ist, die nur von bewährten Fachkräften zu leisten ist, die mindestens zwei Meter Robert Jungk und Klaus Traube gelesen haben? Daß Protest hierzulande für jene exklusiven zehn Prozent der Bevölkerung reserviert ist, die sich behaglich im Ghetto ihrer eigenen Niederlagen eingerichtet haben?

Die Häme gegen die Protestschiffe ist arrogant und ein wenig dämlich. Wer die atomare Barbarei abschaffen will, wird dies nicht ohne jene Atom-Touristen erreichen, die demnächst die Hoheitsgewässer Chiracs erreichen. In ihrer ganzen Naivität ist jeder von denen weit engagierter als die abgefuckt zynischen Pöbler der deutschen Journaille. Manfred Kriener