Auf Du und Du mit Sahra
: Sprachlos

■ Kommunistische Plattform in Bremen/ Ungewolltes PDS-Kind darf nicht reden

Bremens PDS hat Nachwuchs bekommen. Kommunistische Plattform (KPF) heißt der Sproß – ein ungewolltes Kind, dem die Eltern nach der Geburt sofort den Mund verboten haben. „Die neugegründete Gruppe hat es sich zum Schwerpunkt gemacht, eine strikt antikapitalistische Politik in die PDS und nach außen zu tragen“, richteten die zehn abtrünnigen Genossen ihre ersten Worte an die Öffentlichkeit. Als erstes wollen die Plattformler das „Kapital“ von Marx „gemeinsam bearbeiten“. „Bei Rückfragen: Alexander Stoeck, Telefonnummer: ...“ Doch als „Genosse Stoeck“ zurückruft, gibt sich er sich wortkarg: „Ich soll Ihnen sagen, wenn Sie was wissen wollen, müssen Sie das PDS-Büro fragen.“ Warum darf er nicht antworten, hat er einen Maulkorb bekommen? „Ja, ich habe einen Maulkorb bekommen. Äh, nein, das heißt, so will ich das doch nicht verstanden wissen, aber fragen Sie lieber im PDS-Büro nach.“

Horst Langhorst vom Landesbüro Bremen lacht laut auf, als er hört, daß sich Genosse Stoeck nicht traut. „Dann hat's ja doch was genützt“, freut er sich. „Der soll nämlich keine Pressemitteilungen als Landesverband herausgeben.“ In der Tat gibt es zwei Erklärungen: Die „verbotene“ trägt den Briefkopf der Kommunistischen Plattform – die „offizielle“ den des Landesverbands. Unweigerlich taucht vor dem geistigen Auge das Bild von Sahra Wagenknecht, Sprecherin der KPF, auf. Als sie mit ihren fundamentalistischen Ansichten zu laut wurde, bekam sie Anfang des Jahres von der Partei eins auf die Finger. „Wir sind nicht die alte SED“, betonten Bisky und Gysi und katapultierten die ungeliebte Tochter aus dem PDS-Bundesvorstand. „Die Gruppe ist ganz neu“, fährt Langhorst fort. „Deshalb rufst Du am besten in Hannover an. Die können Dir sagen, mit wem Du sprechen kannst.“ Die Dame beim Niedersächsischen Landesverband weiß von nichts.

Erneuter Versuch im Bremer PDS-Büro: „Das läuft ja dumm“, räumt Langhorst ein. „Ich klär' das mal mit dem Alex (Genosse Stoeck), und ruf' ich Dich wieder an.“ Doch er ruft nicht zurück, auch Alex meldet sich nicht. Am späten Nachmittag klingelt das Telefon: „Ich bin diejenige, die Dir alles über die KPF sagen kann. Aber im Moment geht's nicht“, bedauert Regina Schnieber-Swist. „Ruf' mich morgen gegen 16 Uhr an.“ Genossin Schnieber-Swist ist am nächsten Tag doch nicht da – kann vorkommen. Wenig später kommt ein Anruf. „Hier ist Marc Galwas. Du wolltest ein Interview wegen der KPF. Wir haben uns jetzt darauf geeinigt, daß ich Dir die Antworten gebe.“ Viel zu sagen hat „Genosse Galwas“ allerdings nicht. „Schließlich hat sich die Gruppe erst gegründet und sich nur zwei Mal getroffen.“ „Wer dabei ist, ist unerheblich.“ „Der Bildungsstand der Genossen ist sehr desolat“, nennt Galwas einen Grund für die Gründung der KPF. „Sie haben keinen klaren Klassenstand“. Diesen „Klassenstand“ sollen sie nun in der KPF „definieren lernen“, und zwar mit Hilfe von Marx.

Frisches Blut habe die PDS außerdem bitter nötig. Das zeigten die Fehler des letzten Wahlkampfes: „Die Leute, die unter den herrschenden Klassen leiden, sind gar nicht angesprochen worden“, kritisiert Galwas. Das seien zum Beispiel die Menschen in Tenever. Stattdessen habe sich die Partei auf das „kleinbürgerliche links-liberale Spektrum konzentriert“. In der KPF sollen die Genossen nun fitgemacht werden, um Kritik in die „innerparteiliche Diskussionen einzubringen“.

Gibt es in der PDS eigentlich auch eine „herrschende Klasse“, die bestimmt, wer wann was sagen darf? „Nein, es gibt nur Sprecher, die autorisiert sind, mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten. Und das ist ganz normal.“ kes