: Traumhaus auf der grauen Wiese
Mit Kleinigkeiten geben sich die Initiatoren des „Musicon“-Konzerthauses bekanntlich nicht ab. Jetzt nimmt ihr Projekt, häufig als Luftschloß belächelt, konkrete und eindrucksvolle Form an: Mit Daniel Libeskind wählten sie einen Architekten für ihr Herzensprojekt aus, der weltweit für höchste Qualität und Originalität steht.
Gestern gab der „Förderkreis Neue Philharmonie“ das Ergebnis des internationalen Wettbewerbs bekannt. Der bereits hochrangig besetzt war: Kapazitäten wie das Büro Behnisch (Olympiastadion München, Deutsches Postmuseum) und die junge Avantgarde des Dekonstruktivismus (z.B. Nasrine Seraji-Bozorgzad aus Paris) legten Entwürfe für das Konzerthaus auf der Bürgerweide vor. Das Modell von Libeskind bekam den Vorzug, weil es die eigenwillige Handschrift des Architekten mit den städtebaulichen Vorgaben des Platzes verbindet.
Das Bauprinzip ist leicht abzulesen: Mehrere große Quader sind hier ineinandergeschoben, ausgerichtet nach den Achsen der Verkehrswege entlang der Bürgerweide. Wo sich alle Quader scheinbar durchdringen, liegt das Zentrum des „Musicon“: der Konzertsaal. Kein rechteckiger Schuhkarton, wie bei Musikhäusern üblich, sondern eine unregelmäßige Form, in deren Mitte die Bühne liegt, allseits von Publikum umgeben.
Das Haus als Konglomerat von hübschen Bruchstücken – diese Idee zeitgenössischer Architektur artet manchmal ,in dekonstruktivistischen Schnickschnack aus. Libeskind aber fügt nicht nur schicke Splitter zusammen: Jede der auf den ersten Blick schiefen Wände und Ecken ist aus ihrer Funktion gewonnen. Und trotz der enormen Baumassen, die hier zu bändigen waren, wirkt das Haus alles andere als massiv. Libeskind stellt seine Quader auf Stelzen, Folge: in der Erdgeschoßzone wird der Platz überwiegend frei begehbar bleiben.
So könnte Bremen tatsächlich aus seiner baulichen Mittelprächtigkeit herauswachsen – wenn denn alles so kommt, wie es im Modell zu sehen ist. Dazu aber müsse es „noch in diesem Jahr zum Schwur kommen“ (Kulenkampff), wie das Schmuckstück denn genau finanziert werden soll. Bis zur Expo 2000 soll es stehen; geschätzte Kosten: zwischen 70 und 90 Millionen Mark. Am Freitagabend wird das Modell auf der Hafa vorgestellt, am Sonderstand „Bremen Brillant“ . tw/Foto: Müller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen