Echt voll schwer

■ Wenn Schulkinder Neue Musik machen: das Bremer „Response-Projekt“/ Heute Abschlußkonzert

Wusel, wusel, wusel – immer mehr tropfnasse SchülerInnen jeden Alters stürmen in den Schlachthof: Generalprobe des vom Musikfest mitgetragenen „Response“-Projektes; heute abend gibt es das Abschlußkonzert. „Das war Klasse, wir durften machen, was wir wollten“, begeistert sich eine Siebtklässlerin, eine von etwa 70 bis 80 MitspielerInnen aus mehreren Bremer Schulen. Das organisatorisch aufwendige Projekt ist eine Initiative der Deutschen Kammerphilharmonie, deren MusikerInnen sich „unglaublich eingesetzt haben“, so Ursula Menck, die Koordinatorin auf der senatorischen Seite. Das Projekt ist nicht neu, ist eine Idee des Orchesters London Sinfonietta und wurde von der Kammerphilharmonie schon in verschiedenen Städten durchgeführt.

KomponistInnen und MusikerInnen arbeiten zusammen mit SchülerInnenn, um den Zugang zur in der Regel verachteten Neuen Musik abzubauen, um zu demonstrieren, wieviel auch die neuen schiefen und quietschenden Töne mit ihnen selbst zu tun haben, „es soll Lust auf Beschäftigung mit Neuer Musik machen und Vorurteile abbauen“: Albert Schmitt, Kontrabassist des Orchesters und einer der wesentlichen Betreiber. Mit von der Partie waren die Komponisten Hans Joachim Hespos, Uwe Rasch, Erwin Koch-Raphael, Jens Peter Ostendorf und die Musikpädagogin Gertrud Meyer-Denkmann, dann Friederike und Stephan Latzko, Albert Schmitt und Ulrike Rüben von der Kammerphilharmonie: sie alle wollten und sollten helfen, den SchülerInnen von der ersten bis zur 12. Klasse, vom Schulorchester bis zum Leistungskurs die Ohren neu zu öffnen, das Umsetzen einer eigenen Kreativität anzuregen. „Ohne Strukturvorgabe geht das nicht. Man kann nicht zwischen Mathe und Englisch kreativ sein“, sagt Uwe Rasch, dessen Gruppe den Ebergreen „Yesterday“ als Materialhaufen behandelt, „um die Bestandteile neu aufzubereiten“.

Gerade acht Tage in der Schule, gruppieren sich die Kleinsten um Albert Schmitt, der ein leises Stück von Hespos spielt. „Das hat er ganz schlau gemacht, da kriegt er Gema-Gebühren“, war aus dem Umfeld zu hören. Die Kleinsten spielen ihr Lieblingsspielzeug, um dann – vor der Musik von Hespos? – schreiend die Bühne zu verlassen. Es herrscht richtiges Arbeitsklima, Radio Bremen hat seine Bedingungen: „Die Grundeinstellungen müssen heute gemacht werden, also nochmal“. Geduldig machen die SchülerInnen das, wie finden sie das Ganze überhaupt, hat es was mit ihnen zu tun? Viel: „Wir haben erst ganz lange improvisiert, bis wir in unserer Klasse drei Gruppen gebildet haben: also wir sind die Tänzerinnen“. Das sieht die siebente Klasse so, und auch die Kids aus dem Orchester SZ am Rübekamp, die eine anspruchsvolle Improvisation zeigen, sind zufrieden: „Man weiß jetzt, worauf es ankommt“. „Das ist voll schwer, improvisieren, viel schwerer als Noten spielen“.

„Also mein Ding ist das nicht. Ich probier zwar auf dem Cello immer so rum, Autorennen auf der Autobahn, kann man ja gut nachmachen auf dem Cello, aber das hier ... eher nicht nochmal, jedenfalls nicht so schnell“. Im Projekt „Schall um uns“ agiert eine fünfte Klasse ein auffällig professionelles Stück, zwei Mädchen dirigieren Teile. „Das ist ein irres Gefühl. Da muß man immer kichern“. Ansonsten beschweren sie sich, daß sie zu wenig selber machen durften, das „haben wir uns anders vorgestellt“.

Was hat denn eigentlich der Komponist davon oder gibt er nur ab? „Das ist eine wichtige Bodenerfahrung. Nur in solcher Arbeit kann man sehen, was Musik ausmacht und eben auch, was sie nicht ausmacht“, so Erwin Koch-Raphael, der mit seiner Gruppe am Boden kauert und Flüstergeräusche vollführt. Die Einfälle wirken endlos, die szenischen und akustischen Ergebnisse des Dreieckes LehrerIn, KünstlerIn, SchülerIn werden heute im Schlachthof vorgeführt.

Ute Schalz-Laurenze

„Response 95“, Abschlußkonzert heute um 19 Uhr im Schlachthof