: Jedes vierte Verfahren wird eingestellt
■ Auswirkung der neuen Drogenrichtlinie: Die Justiz stellt deutlich mehr Verfahren wegen Haschischbesitzes ein als früher. Bis zu 15 Gramm Hasch bleiben straffrei
Ein deutlicher Anstieg von Verfahrenseinstellungen nach Paragraph 31a des Betäubungsmittelgesetzes ist zu verzeichnen. Im letzten Quartal 1994 war nur in knapp elf Prozent der Verfahren, bei denen es um Besitz von kleineren Mengen von Cannabisprodukten ging, auf eine Strafverfolgung verzichtet worden. Seitdem ging die Zahl sprunghaft nach oben. Bis zum April 1995 wurden schon 382 leichte Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz von der Staatsanwaltschaft eingestellt, im zweiten Quartal waren es dann bereits 519 Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft bei Kiffern von einer Strafverfolgung absah. Das bedeutet, daß fast ein Viertel aller Fälle nicht strafrechtlich verfolgt wurde. Nach Auskunft der Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Justiz, Uta Fölster, ist diese Zunahme von Verfahrenseinstellungen auf die im März 1995 in Kraft getretene Berliner Drogenrichtlinie zurückzuführen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im März 1994 entschieden, daß die Behörden von der Strafverfolgung absehen können, wenn Cannabisprodukte nur in geringen Mengen und zum Eigenverbrauch erworben und konsumiert werden. Zugleich verpflichtete es die Bundesländer, einheitliche Richtlinien festzusetzen, wann Erwerb und Besitz strafrechtlich nicht belangt werden.
Während die SPD-regierten Länder zum Teil sehr moderate Richtlinien festlegten – so dürfen Konsumenten in Schleswig-Holstein bis zu 30 Gramm Haschisch, 5 Gramm Kokain oder 1 Gramm Heroin in der Tasche haben –, wurde der Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes in den CDU-regierten Ländern streng ausgelegt. So können in Bayern die Gerichte im Einzelfall von einer Strafe absehen, wenn jemand „gelegentlich“ eine geringe Menge Haschisch besitzt. Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Strafbarkeit des Besitzes von Haschisch.
Ähnlich ist es auch in Berlin. Die Fraktionen im Abgeordnetenhaus konnten sich nur auf eine Richtlinie einigen, die sich ausschließlich auf Cannabisprodukte bezog. Zwar sind der Besitz, Kauf und Verkauf von Rauschmitteln nach wie vor grundsätzlich strafbar, doch beim Umgang mit bis zu 15 Gramm Hasch oder Marihuana kann die Staatsanwaltschaft nach den Umständen des Einzelfalles von einer Strafverfolgung absehen. Das gilt insbesondere für Ersttäter. Bezieht sich die Tat jedoch auf eine Menge von mehr als 15 Gramm Cannabisharz oder Marihuana, kommt der Verzicht der Strafverfolgung gemäß Paragraph 31a Betäubungsmittelgesetz grundsätzlich nicht in Betracht.
Andreas Gram, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, erklärte, daß die CDU-Fraktion immer gegen eine Einstellung von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz gewesen sei. Als rechtstreue Fraktion habe man sich jedoch dem Bundesverfassungsgerichtsurteil gebeugt.
„Allerdings erwarte ich für das kommende Jahr ein deutliches Absinken der Einstellungen nach Paragraph 31a“, sagte der rechtspolitische Sprecher. Jeder müsse wissen, daß diese Richtlinie kein Freibrief für den Besitz von Betäubungsmitteln, sondern eine Chance für Ersttäter ist, die zudem die Ermittlungsbehörden entlastet. Andreas Gram weiter: „Ich werde sehr genau darauf achten, ob die Strafverfolgung von Delikten mit harten Drogen ansteigt.“ Seiner Auffassung nach sei das schließlich der Grund gewesen, der Richtlinie zuzustimmen, die Ersttäter mit geringen Mengen weicher Drogen beim ersten Kontakt mit der Polizei davonkommen läßt. Peter Lerch
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