■ Tennis
: Pazifistische Vorhand

New York (dpa/taz) – Während die Archäologen hiesiger Nachrichtenmagazine emsig ihre Ausgrabungen in der finanziellen Vergangenheit der Familie Graf fortsetzen und Vater Peter weiterhin im Gefängnis schmachtet, scheint Tochter Steffi im fernen New York langsam ihr seelisches Gleichgewicht wiederzufinden. „Ich habe meinen Frieden in mir selbst gefunden“, tat sie der überraschten Journalistenschar kund.

Das probate Rezept zur inneren Friedensfindung: Tennis spielen und gewinnen. Nach dem mühevollen Auftakt im Match gegen die Südafrikanerin Amanda Coetzer hatte Steffi Graf bei den US Open kaum noch Probleme mit ihrem Spiel und zog durch ein 6:2, 6:2 gegen Chanda Rubin (USA) ins Viertelfinale ein. Dort trifft sie auf Amy Frazier (USA), die sich gegen die Weißrussin Natascha Zwerewa durchgesetzt hatte. „Ich bin mit großen Zweifeln und ohne Erwartungen angetreten. Doch jetzt bin ich dem Turniersieg schon viel näher, als ich mir das am Anfang vorstellen konnte“, sagte Steffi Graf, der eine weitere Last von der Seele genommen wurde. Im Halbfinale würde sie nämlich nicht, wie erwartet, auf die Spanierin Arantxa Sanchez-Vicario treffen, die ihr im Wimbledon-Finale so große Schwierigkeiten bereitete, sondern auf Gabriela Sabatini oder Mary Joe Fernandez, die das Kunststück fertigbrachte, die Titelverteidigerin Sanchez-Vicario aus dem Turner zu werfen. Die in der Weltrangliste auf Position 13 zurückgefallene US-Amerikanerin gewann 1:6, 6:4, 6:4.

Mutter Marisa und Bruder Emilio, die völlig konsterniert ins Leere blickten, konnten kaum fassen, daß ausgerechnet die große Kämpferin Arantxa, die bei den US Open seit 1988 jedes Jahr mindestens unter die letzten Acht gekommen war, vor 18.000 Zuschauern eine 6:1, 4:2-Führung noch verspielte. „Wenn man nicht sein bestes Tennis spielt, ist es schwer zu gewinnen“, sagte sie. 20 ungenutzte Breakbälle zeugen davon, daß sie tatsächlich weit unter Normalform gespielt hatte.

Doch der Abend gehörte Mary Joe Fernandez. Zwei Jahre voller Rückschläge liegen hinter ihr. Von verschiedenen Infektionskrankheiten war sie immer wieder aus Training und Turnieren gerissen worden. „Das war eine sehr frustrierende Zeit. Man muß mental sehr stark sein, um das zu überstehen“, sagte die 24jährige. Für Steffi Graf wäre ein mögliches Halbfinale gegen Fernandez trotzdem nicht die schlechteste Aussicht. Ihre Bilanz gegen sie steht derzeit bei 12:0 Siegen.