Chirac will Bombe für den Osten

Der französische Präsident läßt höchstens achtmal testen. Greenpeace mit Schlauchbooten erneut in der Lagune.  ■ Von Nicola Liebert und H.-J. Tenhagen

Frankreichs Präsident Jacques Chirac hat die geplanten Atomtests gestern im Fernsehen gerechtfertigt und vor einer Bedrohung aus der ehemaligen Sowjetunion gewarnt. „Wenn wir auf die ehemalige Sowjetunion sehen, wissen wir nicht, welche Krisen noch auftreten werden“, so der Präsident. Die internationale Kritik an seinen Atombombenplänen habe ihn nicht überrascht, und die Ablehnung der Tests durch über 60 Prozent der Menschen in Frankreich könne ihn nicht beirren: „Wenn wir 1934 oder 1936 eine Umfrage gemacht hätten mit der Frage, ob sich Frankreich mit modernen Streitkräften ausrüsten sollte, hätten 80 Prozent auch dagegen gestimmt.“

Wenn das zuverlässige Funktionieren der französischen Atombomben mit weniger als acht Tests sichergestellt werden könne, werde es sogar weniger Tests geben. 1996 wolle Frankreich jedenfalls einen vollständigen Stopp aller Atomtest weltweit erreichen. Chiracs Außenminister Hervé de Charette hatte noch am Montag mit dem chinesischen Verteidigungsminister Chi Haotian über die gemeinsamen Sorgen gesprochen. Auch China will noch bis 1996 Atombomben testen.

Weil Greenpeace ganz sicher war, daß der erste Test unmittelbar bevorsteht, hatten die Umweltschützer zuvor gestern früh (Ortszeit) die Militärs auf Moruroa wieder besucht: Zwei Schlauchbooten mit insgesamt vier Leuten, darunter ein Polynesier, gelang es, um halb sieben morgens (Ortszeit) in die Lagune einzudringen. Dort wurden sie festgenommen.

Thomas Schultz-Jagow vom Greenpeace-Büro in Papeete sagte: „Wir haben nun zum zweitenmal innerhalb weniger Tage bewiesen, daß man mit Schiffen in die Lagune kommen kann.“

Die Signale für einen ersten Test waren zuvor vielfältig gewesen: Aus Paris waren Atomtechniker eingeflogen worden. Der Statthalter der französischen Regierung in Polynesien, Gaston Flosse, hatte angekündigt, noch vor dem Wochenende nach Paris zu fliegen, um mit Chirac über die Politik nach den Tests zu reden. Die Militärs hatten die Journalisten von Moruroa fortgeschafft und zu guter Letzt auch noch die Passage zwischen den beiden Atom-Atollen Fangataufa und Moruroa für den Schiffsverkehr gesperrt.

In Paris hatte sich die französische Regierung am Montag abend über die Teilnahme des japanischen Finanzministers Masayoshi Takemura und der schwedischen Kulturministerin Margot Wallström an Anti-Atomtest-Protesten in Papeete ereifert. Diese Demonstration sei ein „Akt unzulässiger Einmischung“ in innere Angelegenheiten Frankreichs gewesen. Auch auf der Palme war der Meeresforscher Jacques Cousteau, der die geplanten Atomtest nicht nur kritisierte, sondern Konsequenzen zog und aus dem Rat des Präsidenten für die Rechte künftiger Generationen austrat. Cousteau wörtlich: „Die Zukunft unserer Nachkommen ist nur in einem Klima der Toleranz, der Hoffnung und des Friedens sicher. Mit der Aufrechterhaltung der nuklearen Bedrohung ist dies nicht vereinbar.“