Atommüll? Kein Problem

■ Russische Militärs pumpen seit 30 Jahren Strahlenmüll unter die Erde

Berlin (taz) – Weltweit existiert bis heute kein Endlager für hochradioaktiven Atommüll. Diese prekäre Wahrheit wird von den Kritikern der Atomenergie seit Jahrzehnten beklagt, von ihren Befürwortern zähneknirschend eingestanden. Am Montag belehrte Jewgeni Mischkerin beide Seiten eines Besseren. Zur Eröffnung der 5. Internationalen Konferenz zur Entsorgung radioaktiver Abfälle und Umweltsanierung (ICEM '95) in Berlin erklärte der Vertreter des russischen Atomministeriums Minatom, in Rußland werde hochradioaktiver Müll aus der Atomwaffenproduktion seit 30 Jahren in tiefen geologischen Formationen endgelagert.

Laut Mischkerin befinden sich die beiden Militäranlagen bei den Städten Tomsk und Krasnojarsk im Süden Sibiriens. In je 20 Schächte von 500 bis 1.500 Meter Tiefe pumpten die sowjetischen Bombenbauer etwa die Hälfte ihrer hochaktiven Abfälle – und zwar in flüssiger Form. Probleme, so Mischkerin, seien bisher nicht aufgetreten. Der heiße Cocktail sei zuverlässig von der Biosphäre isoliert. Die Endlagermethode ähnelt auf frappierende Weise dem Verfahren, mit dem sich US-Militärs in der Bombenschmiede von Hanford (US-Staat Washington) zu Beginn des Kalten Krieges ihres flüssigen Atommülls entledigten.

Die andere Hälfte der militärischen Strahlenabfälle in Rußland soll ähnlich wie im Westen in Glas eingeschmolzen, zwischengelagert und irgendwann in ein bei Tscheljabinsk am Ural projektiertes Endlager eingebracht werden. Die rund 50 Tonnen Plutonium, die infolge der nuklearen Abrüstung in den kommenden Jahren in Rußland anfallen, sollen zu Uran-Plutonium-Mischoxyd-Brennelementen (MOX) verarbeitet und in russischen Atomkraftwerken verbrannt werden. Keinesfalls werde sein Land das Plutonium ins Ausland transferieren, versicherte Mischkerin. Die russische Seite habe vorgeschlagen, die MOX- Anlage der Siemens AG in Hanau ab- und in Rußland wieder aufzubauen. „Dieser Vorschlag“, meinte der russische Abgesandte lächelnd, „fand in Deutschland wenig Beifall.“ Gerd Rosenkranz