Vorschlag

■ Entspannt und innovativ: Yo La Tengo treten im Loft auf

Schüchterne Exhibitionisten Foto: promo

Doch, manchmal können sogar die ansonsten eher friedvollen Yo La Tengo ganz schön garstig werden: Nachdem 18th Dye sensiblere BesucherInnen des Knaack-Clubs Weihnachten 1993 mit ihren Lärmkaskaden vor der Tür getrieben hatten, betrat Sänger und Gitarrist Ira Kaplan als Weihnachtsmann verkleidet die Bühne und sagte lapidar, er sei froh, daß 18th Dye gegangen seien — „So people can start talking English again.“ Nach einer gebührenden Pause, etwas verlegen: „I don‘t know what they were talking about.“ Dann hieß es aufsitzen und das „Speeding Motorcyle (of my heart)“ fuhr los.

Seit mittlerweile zehn Jahren setzt das nach wie vor abseits vom Alternative-Rock-Mainstream operierende Trio aus Hoboken/New Jersey (von wo auch die DBs, die Feelies und Kate Jacobs kamen) mit jedem seiner bis jetzt sieben (!) regulären Alben immer wieder neue Maßstäbe für den entspannten Umgang mit sechs oder vier Saiten, Schlagzeug und Orgel. Linientreu und gleichzeitig innovativ wie kaum eine andere Band der amerikanischen Independent-Szene lösen die Eheleute Ira Kaplan und Georgia Hubley mit wechselnden Bassisten noch heute das Versprechen ein, das sie schon mit ihrer ersten Produktion „Ride the Tiger“ gaben: gekonntes Feedback, nagende Melancholie und kluges Songwriting können wie selbstverständlich Hand in Hand gehen. Auch „Electr-O-Pura“, das aktuelle Produkt aus dem Hause City Slang, das in Nashville, Tennessee, aufgenommen und nach einem altmodischen Softdrink benannt wurde, ist trotz seiner Kopflastigkeit beides gleichzeitig: sowohl ein improvisiertes, sich selbst kommentierendes Experimentierfeld popkultureller Klischees und Fragmente als auch ein kompaktes Stück schräger Gitarrenmusik, das die Balance zwischen Verzerrungen und Harmonien niemals ganz verläßt. Wer sich diese einzigartige funny bunch of shy exhibitionists entgehen läßt, die gewiß noch einige Meilensteine an der long and winding road der Post-Velevet Underground-Gitarrenmusik aufstellen wird, hat selber Schuld. Gunnar Lützow

Heute, 20.30 Uhr, im Loft, Nollendorfplatz 5, Schöneberg