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Störfaktor Frau am Bau

■ Grüne Baupolitikerinnen machen andere Politik / Das bringt ihnen Konflikte, zuweilen die teilweise Entmachtung

Mit ihren Vorschlägen ernten die bündnisgrünen Baustadträtinnen in den männerdominierten Bauausschüssen zuweilen schallendes Gelächter. So erging es der Schöneberger Baustadträtin Sabine Ritter, als sie einen Architektenentwurf kritisierte, der eine Küche mit nur acht Quadratmetern geplant hatte. „Die Küche ist für viele Frauen ein Arbeitsplatz, nach der Arbeitsstättenverordnung würden Sie damit nie durchkommen“, erklärte sie dem Architekten und den verständnislosen Bezirkspolitikern.

Baupolitik ist immer noch eine Männerdomäne. Deswegen verweisen die Grünen stolz darauf, daß sie mit Dorothee Dubrau in Mitte, Erika Romberg in Kreuzberg und Sabine Ritter in Schöneberg drei Baustadträtinnen vorzuweisen haben. Im Abgeordnetenhaus ist Elisabeth Ziemer eine von drei Frauen im Bauausschuß.

Frauen gehen mit einem ganz anderen Blick an Stadtplanung heran. Das wurde bei der Diskussionsrunde grüner Baupolitikerinnen am Dienstag abend im Kreuzberger „Kato“ schnell deutlich. Sie versuchen, Investoren zu verpflichten, Erdgeschoßräume für Kitas einzuplanen und ortsübliche Mieten zu garantieren. Sie ringen Investoren von Bürobauten „scheibchenweise“ weniger Büroraum und mehr Wohnungen ab. Und sie opfern auch mal ein paar Parkplätze, um Bäume zu pflanzen. Für die grünen Baupolitikerinnen soll die Lebensqualität im Vordergrund stehen.

Baupolitikerinnen brauchen ein dickes Fell. Die Konflikte sind zahlreich und die Unterstützung spärlich. Werden die Stadträtinnen zu sehr zum „Störfaktor“, müssen sie damit rechnen, entmachtet zu werden. Baustadträtin Dubrau wurde im Juni von der Bezirksverordnetenversammlung ein Teil ihrer Kompetenzen entzogen, weil sie versuchte, das Stadtbild zu bewahren, und nicht nach der Pfeife der Investoren tanzte. Daß die PDS-Frauen die Intrige gegen sie eingefädelt hätten, habe sie besonders getroffen, sagte Dubrau.

Ähnliche Erfahrungen hat auch Erika Romberg in Kreuzberg gemacht. Vor kurzem entzog ihr Bezirksbürgermeister Strieder (SPD) wegen des Tempodrom-Neubaus die Zuständigkeit für den Bebauungsplan am Anhalter Bahnhof. Als der Mann die Frage aufwarf, ob die grünen Baustadträtinnen „überfordert“ seien, wies Baustadträtin Ritter dies entschieden zurück. „Frauen werden oft als Testfall benutzt, um Machtverhältnisse auszuloten“, sagte sie und bemängelte, daß Politikerinnen schneller dem Vorwurf der Überforderung ausgesetzt seien als Politiker.

Eine Schöneberger Bündnisgrüne fragte angesichts solcher Konflikte, ob sich ein von Frauen besetztes Bauressort für eine maximale Umsetzung bündnisgrüner Politik eigne. Schließlich müßten die Baupolitikerinnen sich auch noch gegen eine überwiegend von Männern besetzte Verwaltung durchsetzen. „Ich will ins Zentrum der Macht, und das ist eben die Baupolitik, wo es um die Verteilung von Geld geht“, konterte Elisabeth Ziemer selbstbewußt.

Wenn es nach den Wahlen eine bündnisgrüne Bausenatorin gäbe, würde vieles anders laufen, hieß es: Die Bürgerbeteiligung müßte ausgebaut, in der Bauverwaltung müßten mehr Stellen mit Frauen besetzt werden, Großprojekte sollten überprüft werden. Außerdem müßten Frauen auch bei der Auftragsvergabe stärker berücksichtigt werden, forderte die grüne Architektin und Abgeordnetenhauskandidatin Ida Schillen. Bisher kämen bei den öffentlichen Aufträgen hundert Prozent Männer zum Zuge. Dorothee Winden

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