Diepgen untertunnelt Bausenator Nagel

■ Regierender reißt Feierlichkeiten zum Tiergartentunnel an sich / Erster Spatenstich wird zum CDU-Wahlkampftermin

Sechs Wochen vor den Wahlen hat sich der Kampf um publicityträchtige Termine zwischen SPD- Senatoren und Regierendem Bürgermeister verschärft. Eberhard Diepgen, Spitzenkandidat der CDU, hat in seiner Rolle als Regierender dem Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) die Zuständigkeit für die Feierlichkeiten zum Baubeginn der Tiergartentunnel entrissen. Bei dem Projekt investieren Bundesregierung, Berlin und die Bahn AG 4,5 Milliarden Mark.

Der Bauverwaltung ist am Dienstag von der Bahn AG telefonisch mitgeteilt worden, daß statt Nagel nun Diepgen offiziell zum ersten Spatenstich neun Tage vor der Abgeordnetenhauswahl am 13. Oktober einlädt, hieß es gestern bei der Bauverwaltung. Reden sollen nun nur noch die CDU- Politiker Helmut Kohl und Diepgen sowie Bahnchef Heinz Dürr. Redner von der SPD sind nicht mehr vorgesehen, bestätigte die Bahn AG. Die Entmachtung ist höchst ungewöhnlich. Für das Land Berlin organisieren immer jene Senatsverwaltungen Termine, die die Fachaufsicht über die betreffenden Projekte haben. Bei den Eisenbahn-, Auto- und U-Bahn-Röhren im Tiergarten ist das die Bauverwaltung. Noch nie habe Diepgen die Zuständigkeit für Feierlichkeiten einem Senatskollegen weggenommen, hieß es aus der Bauverwaltung.

An dem Bau der Tunnel ist neben Berlin die Bahn AG und die Bundesregierung beteiligt. Den Vorsitz für eine Arbeitsgruppe aller drei Beteiligten zur Vorbereitung der Feierlichkeiten hat die Bahn AG. Doch Unternehmenssprecherin Irene Liebau wollte sich zu dem Sachverhalt so wenig äußern wie Diepgens Senatskanzlei. Daß der Spatenstichtermin von ursprünglich Mitte September um vierzehn Tage verschoben worden sei, habe nichts mit der zeitlichen Nähe zur Abgeordnetenhauswahl zu tun, sagte Bahn-Sprecherin Liebau, sondern mit Widerspruchfristen für Bürger gegen das Projekt. Die Frist zum Widerspruch gegen den Planfeststellungsbeschluß sei erst bei dem späteren Termin abgelaufen.

18.000 Bürger hatten bei der Bürgeranhörung im Februar bereits Widersprüche gegen die Tunnel eingelegt, für die etwa 2.500 ausgewachsene Bäume fallen werden. Die Röhren für Autos, Eisenbahn und U-Bahn unterqueren die Spree auf einer Breite von 110 Meter. Nagel hat den besonders umstrittenen Autotunnel immer als notwendig verteidigt. Doch trotz des Bürgerprotestes und trotz des jetzigen „Putsches“ von Diepgen steht Nagel weiterhin zu dem Projekt, in dem sich täglich 60.000 Kraftfahrzeuge stauen werden. Seine Sprecherin Petra Reetz kündigte seine Anwesenheit bei dem Spatenstich an. An den Kosten der Feierlichkeiten wird sich die Verwaltung aber nicht mehr beteiligen. Nagel will aus seinem Etat kein Geld für den Wahlkampf der CDU ausgeben.

Zumindest der Termin als solcher hat eine symbolisch zweifelhafte Bedeutung: Der 13. Oktober ist ein Freitag. Dirk Wildt