■ Daumenkino: Jefferson in Paris
Nun, was haben wir denn da, Nick Nolte in der Politik? Aber Newt Gingrich schreibt ja auch Romane, was soll's, Cross-dressing aller Orten. Nolte kommt aus Nebraska und war eigentlich als Fußballspieler gedacht. Noch heute merkt man ihm die Stella-Adlers-Schauspielschule an, auf die er damals statt dessen geraten war, ob er nun einen Vietnamveteran, Machobullen oder Prinzen der Gezeiten spielt.
Mit Jefferson in Paris hat er sich an die Stelle zurückgebeamt, als modernes Recht sozusagen erfunden wurde. Zum Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung fällt jedem sofort „pursuit of happiness“ ein; und wenn an diesem Film irgendein gutes Haar zu lassen ist, so die Tatsache, daß hier sichtbar wird, wie wenig der frugale Thomas Jefferson dazu in der Lage war.
Merchant/Ivory interessiert an der Sache offenbar nicht mehr als das Dekor zum Topos „Ein Amerikaner in Paris“. Das Ganze schmeckt, riecht und sieht aus wie im Heimatmuseum des 5. Arrondissements – pittoresk, adrett, angestaubt. Es geht um die Jahre kurz vor Ausbruch der Französischen Revolution, als Thomas Jefferson amerikanischer Botschafter in Paris war. Die sogenannte herrschende Klasse reichte ihn von Salon zu Salon, wo er ehrliche Schlagfertigkeit gegen aristokratische Raffinesse zu setzen weiß — klar, daß Merchant/Ivory zu so etwas Nick Nolte einfiel. Jefferson, der Witwer, verliebte sich in Marie Coway, die malte und musizierte und die hier von der Eiskönigin Greta Scacci gegeben wird.
Der Film hat eine klammheimliche Freude daran, Jefferson in die eigenen Fallstricke laufen zu lassen. Als die Eiskönigin alles für ihn aufgeben will, Mann, Maus und Vaterland, da kriegt es der Revolutionär mit der Angst. Die Erklärung: „Wir halten diese Wahrheiten für offenkundig: daß alle Menschen gleich sind“, wird ihm von libertären Franzosen immer mit der Frage begegnet, warum denn er, Jefferson, zu Hause selbst noch fünfzig Skaven halte? Daraus hätte man etwas machen können: Schließlich hat sich diese in der Geschichte der amerikanischen Revolution begründete Ungereimtheit ja bis in Jeffersons Präsidentschaft hinein fortgesetzt. Statt die Bundeskompetenzen zu beschneiden, mußten sie selbst starke Zentralmacht spielen: Aufkauf eines Drittels des Kontinents westlich des Mississippi, Erklärung eines Handelsembargos gegen England und Frankreich und schließlich Krieg.
Aber dann hätte man ein richtiges Biopic machen müssen, nicht nur die Episode mit Marie Antoinettes Geisterbeschwörungen. Der Film beginnt und endet sozusagen in Onkel Toms Hütte bei den Nachfahren der Leib- und Magensklavin Sally, mit der Jefferson in Paris ebenfalls ein Verhältnis hat. Mn
„Jefferson in Paris“, Regie: James Ivory. Mit: Nick Nolte, Gwyneth Paltrow, Greta Scacci. USA 1995, 139 Min.
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