■ Rechtsradikale Propaganda im Solinger Mordprozeß
: Die Opfer sollen die Täter sein

Auf den mörderischen Solinger Brandanschlag hat die rechtsextreme Szene in Deutschland mit zwei Propogandaversionen reagiert. Während die einen die Täter in anonymen Schreiben zu „Volkshelden“ erklärten, streuten andere seit der Brandnacht gezielt Gerüchte, die nur einem Ziel dienten: der Ablenkung vom rechten rassistischen Hintergrund der Tat. Statt dessen wurden die Opfer selbst oder deren Landsleute als Tatbeteiligte ins Gespräch gebracht. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Kampagne bildete eine gefälschte eidesstattliche Versicherung, in der vor ein paar Wochen einer der Überlebenden als Täter bezeichnet worden war. Diese „Urkunde“ in den Prozeß eingeführt und nicht als Fälschung erkannt zu haben, zählt gewiß zum schlimmsten Fehler des ansonsten so peniblen Senatsvorsitzenden Wolfgang Steffen.

Am Montag dieser Woche schien es, als sollte sich das Unfaßbare in leicht abgewandelter Form wiederholen. Der Frauenarzt Wolfgang Bohn aus Wetzlar hatte dem Senat während der Sommerpause schriftlich mitgeteilt, ihm sei „zu Ohren gekommen“, daß eine Deutsche, die in der Tatnacht das gerade ausbrechende Feuer habe löschen wollen, von Türken behindert und mit Schlägen bedroht worden sei. Das roch geradezu nach einer Botschaft aus dem rechten Sumpf. Ermittlungen des von Steffen alarmierten BKA ergaben dann auch, daß sowohl der Arzt als auch dessen Informant, der pensionierte Studiendirektor Ernst Günter Kögel, einschlägig bekannt waren. Dennoch ließ Steffen die beiden als Zeugen aufmarschieren – und diesmal tat er gut daran. Heraus kam die Genesis eines üblen Gerüchts. Tatsächlich wurde die belanglose Schilderung einer Nachbarin so umgedreht, daß sie für die rechtsradikale Propaganda taugte. Als Tatsachenbehauptung hatte Kögel die Lüge schon Anfang 1994 in einem Artikel so verbreitet: „Als die Deutschen den noch in den Anfängen steckenden Brand zu löschen versuchten, standen türkische Männer vor dem Haus und rührten keinen Finger. Sie halfen nicht, überließen es den Deutschen und der Feuerwehr. Ob da wohl andere am Brand interessiert gewesen sind?“

Türken als Täter oder Mitverantwortliche an einem der schlimmsten ausländerfeindlichen Verbrechen in Nachkriegsdeutschland: diese Hetze im akademischen Gewand blieb bisher ohne Folgen. Vielleicht wachen die zuständigen Staatsanwälte jetzt endlich auf. Walter Jakobs