■ Der Präsident, Frau Schimmel und der Friedenspreis
: Fundis, „FAZ“ und Menschenrechte

Ein Appell, unterzeichnet von fast 80 Persönlichkeiten, legt Roman Herzog nahe, noch einmal darüber nachzudenken, ob er am 15. Oktober in der Frankfurter Paulskirche der Orientalistin Annemarie Schimmel wirklich den Friedenspreis des deutschen Buchhandels überreichen soll. Unter den Stimmen derer, die dringend von einer solchen Amtshandlung abraten, finden sich neben bekannten Schimmel- KontrahentInnen Persönlichkeiten, die gemeinhin mit ihrer Unterschrift zurückhaltend umgehen. Ihre gemeinsame Überzeugung: Wer für durch ein Buch beleidigte Muslime mehr Mitgefühl aufbringt als für den deswegen mit einem Mordaufruf bedachten Autor, hat keinen Friedenspreis verdient. Schon gar nicht, wenn es, wie von den Preisvergebern gedacht, um die „Verständigung der Kulturen“ gehen soll.

Anders sieht das Gustav Seibt vom Feuilleton der FAZ. In der gestrigen Ausgabe der Zeitung hält er eine Laudatio auf Schimmels „romantischen Orientalismus“. Im Widerspruch zu dieser „großen deutschen Tradition“ stehe der „Menschenrechtsuniversalismus“. Dieser werde „fundamentalistisch, weil er sich nicht mehr als kulturell bedingt erkennt“. Mit seiner Formulierung hat Seibt den x-ten Beweis dafür geliefert, daß die Bezeichnung „Fundamentalismus“ zum politischen Kampfbegriff verkommen ist. Er ist der Titel, unter dem alles versammelt werden soll, worüber nicht diskutiert werden darf.

Unangenehmer ist jedoch der Umstand, daß Seibt mit seinem Text all jenen in den Rücken fällt, die Frau Schimmel nach eigener Aussage doch auch unterstützen will: muslimische und arabische Intellektuelle, die darum ringen, daß die Menschenrechte auch in ihren Heimatländern respektiert werden. Wohl wissend, daß diese einer vielfältig zu kritisierenden christlich- abendländischen Kultur entspringen. Aber ebenso erkennend, daß diese „westlichen Werte“ Menschen davor schützen, verschleppt, gefoltert und ermordet zu werden. Seit Jahren verfechten in islamischen und arabischen Ländern Intellektuelle die Vereinbarkeit der Menschenrechte mit der eigenen Kultur und/oder Religion. Das Spektrum reicht von Laizisten bis zu Islamisten. Nicht selten sind sie gezwungen, im Untergrund zu agieren. Weil einschlägige Diktatoren das Recht auf kulturelle Eigenheit als Recht auf Mord und Totschlag auslegen, leben Personen, die die Universalität der Menschenrechte einklagen, gefährlich. Unter ihnen fänden sich zahlreiche würdige TrägerInnen eines Friedenspreises – im Sinne der Verständigung der Kulturen. Thomas Dreger