„Für rechte Täter untypisch“

Für den Brandanschlag auf ein von Türken bewohntes Haus gibt es, laut Polizei, kein politisches Motiv  ■ Aus Lübeck Torsten Schubert

Noch ist kein Motiv für die Tat erkennbar, doch in Lübeck werden unliebsame Erinnerungen wieder wach. Am Dienstag morgen gegen vier Uhr ging in der Innenstadt ein Haus in Flammen auf, das vor allem von Türken bewohnt war. Zwei Menschen starben – eine 34jährige Deutsche und ein 50jähriger Türke. Weitere 19 Menschen wurden verletzt, einige von ihnen – darunter auch Kinder – schweben noch in Lebensgefahr. Die Polizei sprach in ersten Stellungnahmen von einer Gasexplosion. Doch dann wurden Benzinspuren gefunden, und es stand fest: Brandstiftung.

„Jetzt kommt Lübeck wieder als rechtsextreme Hochburg in die Schlagzeilen“, befürchtet ein Mann, der auf seinem Fahrrad zum völlig ausgebrannten Gründerzeithaus gefahren ist, in dem bis Dienstag 25 Menschen wohnten. Nach zwei Brandanschlägen auf die Lübecker Synagoge 1994 und in diesem Jahr, liegt die Vermutung eines ausländerfeindlichen Hintergrundes auch bei dieser Tat nahe. Erinnerungen an die Anschläge von Mölln und Solingen werden wach.

Die Flammen müssen aus der im Erdgeschoß liegenden Gaststätte mehrere Stockwerke in die Höhe geschlagen sein. Das läßt sich am Ruß erkennen, der die kaum beschädigte Fassade überzieht. Die Polizei hat das Haus abgesperrt. Handwerker haben bereits Glassplitter und Holz zusammengefegt, die geborstenen Fenster des ehemaligen Restaurants wurden durch Sperrholz ersetzt.

Die Stimmung vor der Brandruine ist jedoch anders als nach den Synagogenbränden. Es gibt keine Mahnwachen, keine Proteste oder Demonstrationen. Niemand in Lübeck glaubt an einen ausländerfeindlichen Anschlag. Das Telefon des antifaschistischen Bündnisses ist nicht besetzt. Vor dem Haus stehen vor allem Nachbarn und beobachten neugierig die Szene. Selbst bei den Türken, die zur Brandstelle gekommen sind, ist weder Angst noch Wut zu spüren. Alle warten anscheinend ab, zu welchen Ergebnissen die kriminalistischen Ermittlungen führen werden. Nur eine Bekannte der ums Leben gekommenen Frau bricht vor der Absperrung in Tränen aus und wird von Zivilbeamten der Polizei unverzüglich zur Seite geführt. Ansonsten wird eher locker über das Geschehen diskutiert.

„Der hat in seiner Gaststätte mal wieder zu viele Pommes fritiert“, witzeln Anwohner. Andere spekulieren offen über einen möglichen Versicherungsbetrug. Die Gaststätte soll schlecht gelaufen sein. „Das sind zu diesem Zeitpunkt der Ermittlungen nur Gerüchte“, sagt Manfred Sahm, Leiter der Bezirkskriminalinspektion (BKI) Lübeck, „die bei den einem solchen Tathergang immer auftreten.“ Sicher sei bisher aber nur, daß es sich um vorsätzliche Brandstiftung handle. Es wurde eindeutig Vergaserbrennstoff ausgegossen.

Nach Ansicht von Sahm ist der Brand mit ziemlicher Sicherheit nicht auf einen ausländerfeindlichen Anschlag zurückzuführen. „Dagegen spricht die Art der Brandstiftung. Das Feuer wurde nicht durch Brandsätze entfacht, sondern in Ruhe gelegt. Daher konnte sich auch ein Benzin- Luft-Gemisch bilden, und es kam zu einer Verpuffung, die von Anwohnern als Knall gehört wurde.“ Für rechstextreme Täter sei eine solche Vorgehensweise absolut untypisch. „Wir haben ein gutes Hintergrundwissen über die ausländerfeindliche Szene in Lübeck“, betont Manfred Sahm, „so daß wir aufgrund unserer bisherigen Erkenntnisse von einer anderen Tätermotivation ausgehen.“ Die Mordkommission ist um mehrere Beamte aufgestockt worden, um zu schnelleren Ergebnissen zu kommen.