Nachschlag

■ Mit Lippenabgüssen: „Oikos & Eigenbau“ in der Littenstraße

Der Kunst ein Quartier: Die Elche natürlich. Wer hier gleich an ein skandinavisches Einrichtungshaus denkt, liegt gar nicht mal so falsch. Denn die Ausstellung „Oikos & Eigenbau“ in einer leerstehenden Baracke hinter dem Podewil in Mitte befaßt sich thematisch mit dem Zuhause, dem Heim als sozialem Winkel, Rückzugsort des urbanen Individuums. Das griechische „oikos“ (Haus, Heimat) soll in künstlerische Korrespondenz gesetzt werden zu den Bemühungen des modernen Städtebewohners, aus dem Privatbereich einen Quell der Geborgenheit und Restitution zu machen. Da helfen wieder die Elche, na klar.

Vierzehn in Berlin lebende KünstlerInnen haben in dem zuletzt als Unterkunft der Schutzpolizei genutzten Schlichtbau jeweils einen oder mehrere Räume gestaltet. Betreut vom Büro für Kulturvermittlung und kunstwissenschaftlich bearbeitet von Hajo Eickhoff und Ute Tischler, hat das Kunstprojekt nach zweijähriger Suche in den brachliegenden Räumen inmitten eines struppigen Gartens Quartier bezogen. Vorübergehend, denn: „Es ist eine städteplanerische Leerstelle. Berlin und New York scheinen mittlerweile die einzigen Orte zu sein, wo so etwas noch existiert“, erklärt Eva Hübner vom Büro für Kulturvermittlung.

Aber zurück zu den Elchen. In der Arbeit „Schwarz/Roter Raum“ des Moskauers Sergej Voronzov stehen an die hundert Stück, noch mal so viele Wildschweine und Büffel, wie zum Appell zitiert, die Reihen fest geschlossen. Rot- und schwarzlackierte Holzfiguren, mit denen gut Schach spielen wäre, wären sie nicht aufs Holz montiert und wie von einer totalitären Macht für die Ewigkeit sortiert.

Den Künstler Luc Wolff treffe ich im Innenhof beim Harken an. Objekt der künstlerisch-gärtnerischen Mühe ist ein bettuchgroßes Stück Rollrasen, das bevorzugt abends, vom Scheinwerfer erhellt, das Bild einer erstarrten Kunstlandschaft bietet. Wie auf einem fragilen Altar hat Oder Or Reifenberg rechts und links zwei Wörterbücher für die Übersetzung vom Hebräischen ins Deutsche und umgekehrt installiert. „Jiddisch“ heißt die Arbeit des in Israel geborenen Reifenberg.

Lidwien van de Ven aus Rotterdam und der Argentinier Miguel Rothschild sorgen für die Schlafzimmer im Kunstgebäude. Van de Ven mit ihren Schwarzweißprojektionen Schlafender in einem deckenverhangenen Raum, Rothschild mit einem „Das Unzulängliche der Liebe“ betitelten Einrichtungsvorschlag. Ein Sessel mit hautsympathischem Plastikbezug, besät mit Lippenabgüssen und im Ensemble mit einem Bett präsentiert, dessen Tagesdecke ein Flechtwerk aus Heftpflastern bildet.

Nach beendetem Rundgang kann im blauen Konferenzraum von Dirk Eicken Platz genommen werden. Mit gläsernem Konferenztisch und kunstsinnigen Zitaten hinter Wechselrahmen an den azurblauen Wänden: „Zu den Öffnungszeiten besteht die Möglichkeit zum Gespräch mit den Künstlern. Auch wenn sie nicht stattfinden, sind sie Bestandteil der Arbeit.“ Gudrun Holz

Bis 30. 9., Di.–So. 16–20, Sa. 12–20 Uhr, Littenstraße 7-10