Hund sucht Hütte Von Klaudia Brunst

Seit der Hund dem Welpenalter nun endgültig entwachsen ist, wird es langsam eng in unserer Zweieinhalbzimmerwohnung. „Wann lernen die beiden endlich, ihr Spielzeug abends wieder aufzuräumen“, stöhnte meine Freundin, nachdem sie letzten Samstag erst über die Aufziehmaus des Katers und dann noch über die quietschende Plastikwurst des Hundes gestolpert war.

Kurzum: Eine neue Wohnung muß her. Schön groß, schön hell, schön billig. Noch in derselben Nacht warteten wir geduldig am Nachtschalter von Berlins größter Anzeigenzeitung auf die Sonntagsausgabe, durchforsteten sofort die Spalte „2-4 Zimmer“ – um festzustellen, daß die Konkurrenz mal wieder schneller gewesen war: Alle Telefonzellen im Umkreis von zweieinhalb Kilometern waren bereits mittels handelsüblicher Fahrradschlösser für den öffentlichen Fernsprechverkehr gesperrt. „So wird das nix“, meinte meine Freundin. „Laß uns morgen mal die Chiffreanzeigen durchgehen.“

Den ganzen folgenden Tag sah ich von meiner Freundin praktisch nichts. Stundenlang saß sie auf unserem neuen Sofa und dechiffrierte die Anzeigentexte. „Hier“, meinte sie kurz vor der „Lindenstraße“ und reichte mir mit den Worten „das hört sich doch gut an“ folgende Annonce herüber: 3 Z., KDW, DG m.A. i. bst. Lg, 1.605,- o. NK u. BKA. Heut-Bes.“ – „Könntest Du mir das vielleicht näher erläutern?“ – „Ist doch ganz einfach“, stöhnte sie und riß mir die Zeitung wieder aus der Hand. „Das ist eine Dreizimmerwohnung mit Küche, Diele und Bad in einem ausgebauten Dachgeschoß mit Aufzug in bester Lage zum Preis von 1.605 Mark ohne Neben- und Betriebskosten. Und die Wohnung ist – nein – war heute zu besichtigen.“

„So wird das auch nix“, meinte ich nun doch etwas frustriert über den vertanen Sonntag. „Vielleicht sollten wir lieber selbst eine Anzeige aufgeben. Da können wir dann genau beschreiben, was wir suchen, und die Leute müssen bei uns anrufen statt umgekehrt.“ Das leuchtete meiner Freundin sofort ein. Voller Tatendrang begann sie mit dem Entwurf eines Anzeigentextes. „Wie wäre es damit“, meinte sie wenig später und reichte mir folgenden Text rüber: Angst.-Pr. i. fst. Anstlg. sucht 3 Z. i.g.Lge. Krbg. u. anl. BZ bevorz.; 1.300,- incl. a. NK. Angesichts meiner anhaltenden Begriffsstutzigkeit erläuterte sie mir gnädigerweise, was dort ihrer Meinung nach „klar und deutlich“ stünde: „Angestelltenpaar in fester Anstellung sucht Dreizimmerwohnung in guter Lage. Kreuzberg und anliegende Bezirke bevorzugt. Bis 1.300 Mark inclusive aller Nebenkosten.“ Das mit dem Angestelltenpaar habe sie sich ausgedacht, damit nicht gleich jeder merkt, daß wir als lesbisches Paar eigentlich schwer vermittelbar seien. „Politisch korrekt ist das aber nicht“, entgegnete ich leicht gekränkt, „und den Hund hast du auch unterschlagen!“

Die Nacht auf Montag verbrachten wir damit, uns darüber zu streiten, ob wir ausgerechnet in der bürgerlichen Presse unseren gay pride unterschlagen dürften, und alles schien auf eine vorläufige Aussetzung der Suche hinauszulaufen, als wir beim Frühstück beide zufällig die politisch nun wirklich völlig korrekten taz-Anzeigenseiten aufschlugen ...

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