■ Brandenburg hat die Stasi-Regelanfrage abgeschafft
: Einen Schritt voraus

Sie könne es moralisch nicht ertragen, die stasibelasteten LehrerInnen generell aus der Schule zu jagen, wenn ein ungleich mehr belasteter Ministerpräsident Stolpe im Amt bleiben dürfe, hatte die brandenburgische Bildungsministerin Marianne Birthler vor zwei Jahren ihren Rücktritt begründet. Mit der jetzt in Brandenburg abgeschafften Regelanfrage für den öffentlichen Dienst bei der Gauck-Behörde entfiele für die bündnisgrüne Politikerin zwar nicht das Dilemma, aber zumindest der Zwang zur Nachfrage. Tatsächlich aber ist der gestrige Beschluß des SPD-dominierten Potsdamer Landtages nicht dem schlechten Gewissen des stasiverstrickten Landesvaters zu verdanken. Der Sozialdemokrat Stolpe zieht nur als erster die Konsequenzen aus den Zweifeln, die gegenüber der generellen Anfrage bei der Gauck-Behörde auch in anderen ostdeutschen Ländern gewachsen sind.

Diese Zweifel sind nicht zuerst politischer, sondern ganz pragmatischer Natur. Welchen Sinn macht ein aufwendiges Verwaltungsverfahren, wenn es sich um untergeordnete Tätigkeiten wie Pförtner oder Köche handelt? Wandlungen hat es auch gegenüber den Auskünften der Gauck-Behörde gegeben. Entscheidender als die Angaben seien schließlich die Schlüsse, die der Dienstherr aus den Unterlagen ziehe, hatte sich der Stasi-Beauftragte in der Vergangenheit immer wieder gegen Vorwürfe verteidigt. Die Zeiten, in denen eine irgendwie geartete Stasi-Belastung die automatische Entlassung nach sich zog, sind vorbei.

Auch wenn man sich andernorts mit Rücksicht auf den politischen Gegner oder auf Kritik von außen nicht traut, die Regelanfrage abzuschaffen, die Realität ist eine andere. Beispiel Berlin: Es gilt zwar noch die Regelanfrage, den neuen Kammerton aber hat der Regierende Bürgermeister bereits vor eineinhalb Jahren vorgegeben. Wer vor dreißig Jahren kurzen Kontakt mit der Stasi hatte, dürfe damit nicht für sein Leben bestraft werden, erklärte Eberhard Diepgen (CDU), besorgt um den inneren Frieden in der mühsam zusammenwachsenden Stadt. Über Stasi-Belastete wird deshalb in Berlin jeweils eine Einzelfallentscheidung getroffen; vor Ort, je nach Stellenanforderung. Brandenburg ist anderen Ländern deswegen nur einen Schritt voraus. Gerd Nowakowski