Mörder fürchten Mord – Ansprüche der Opfer geopfert

■ UNHCR kümmert sich um Ruanda-Flüchtlinge in Zaire, aber der Völkermord bleibt ungesühnt

Nairobi (taz) – Auf den ersten Blick scheint die am Dienstag beendete Reise der UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge (UNHCR) Sagako Ogata nach Burundi, Tansania, Ruanda und Zaire ein großer Erfolg gewesen zu sein. Ihre wichtigsten Gesprächspartner erklärten Bereitschaft zur Kooperation bei der Lösung des Flüchtlingsproblems. Die UNHCR-Chefin ihrerseits versprach schnelle Repatriierung der etwa zwei Millionen ruandischen und burundischen Flüchtlinge.

Politiker in den Aufnahmeländern Tansania und Zaire sehen die riesigen Lager, die seit mehr als einem Jahr in den Grenzgebieten bestehen, in steigendem Maße als Belastung. Ende August schob Zaire 15.000 Ruander zwangsweise in ihr Heimatland ab. Nur auf dringliche Intervention des UNHCR hin wurde die Aktion vorläufig gestoppt. Zaires Regierung stellte statt dessen ein Ultimatum zur Repatriierung der Flüchtlinge bis Jahresende.

Nach Ogatas Reise zeigte sich Zaires Außenminister Kamanda wa Kamanda zufrieden: UNO- Vertreter haben zusätzliche Mittel versprochen, mit denen in Ruanda vor allem Häuser, Schulen und medizinische Einrichtungen für die Heimkehrer gebaut werden sollen. Und Ruandas Präsident Pasteur Bizimungu forderte die Flüchtlinge ein weiteres Mal zur Rückkehr auf und versprach ihnen jeden nur möglichen Schutz.

Aber es ist fraglich, ob all diese Erklärungen guter Absichten den Kern des Problems berühren. Die in Zaire gebildete ruandische Exilpartei „Vereinigung für Rückkehr und Demokratie in Ruanda (RDR) meint, daß Rückkehrern in Ruanda „Säuberungsaktionen“ und „systematische Massenvernichtungen in Lagern, zum Beispiel durch Verhungern“ blühen. Sprecher der ruandischen Flüchtlinge verlangen daher „Sicherheitsgarantien“ vor einer Rückkehr nach Hause. Würden ihnen diese gewährt, käme das einer Amnestie gleich: In den Lagern haben Tausende von Milizionären Zuflucht gefunden, denen der Völkermord an der ruandischen Tutsi- Minderheit zur Last gelegt wird. Mindestens 500.000 Tote haben die Massaker im letzten Jahr gefordert. Wehrlose Kinder, Frauen und Männer wurden unterschiedslos abgeschlachtet. Eine Begnadigung der Mörder ist in Ruanda weder geplant noch durchsetzbar. Selbst der kürzlich entlassene Premierminister Faustin Twagiramungu, der der in Ruanda dominierenden „Ruandischen Patriotischen Front“ (RPF) kritisch gegenübersteht, hat mehrfach allein auf die Frage nach einer Amnestie mit Empörung reagiert: Im Zusammenhang mit Opfern des deutschen Faschismus sei schließlich auch niemals eine Begnadigung erörtert worden.

In Kreisen der ruandischen Regierung wächst die Ansicht, das Ausland wolle die Täter gar nicht bestrafen. Noch immer gibt es keinen Termin für den Beginn des geplanten Ruanda-Tribunals der UNO im tansanischen Arusha. Die meisten Verdächtigen befinden sich nach wie vor auf freiem Fuß. Andererseits mehren sich seit Monaten Berichte über willkürliche Verhaftungen und Racheakte an Heimkehrern in Ruanda. Die Haftbedingungen in den überfüllten Gefängnissen sind lebensbedrohlich. Auch schuldlose Exil- Ruander wagen deshalb in vielen Fällen die Heimkehr nicht.

Vor rund zwei Wochen scheiterten Bemühungen des UNHCR um eine freiwillige Repatriierung an allzu geringer Beteiligung. Zwangsmaßnahmen sind der UNO völkerrechtlich nicht erlaubt. Hochkommissarin Sagako Ogata kündigte jetzt an, Extremisten in den Lagern sollen künftig „mit großer Stärke“ von den zairischen Autoritäten kontrolliert werden – eine Äußerung, die der britische Rundfunksender BBC als „irgendwie vage“ bezeichnete. Zaire war jahrelang ein enger Verbündeter des gestürzten ruandischen Regimes, und es mehren sich Hinweise, daß Soldaten der ehemaligen ruandischen Armee auf zairischem Territorium militärisch trainieren und mit Waffen versorgt werden.

Schwierig dürfte sich auch die von Sagako Ogata ebenfalls erörterte Repatriierung burundischer Flüchtlinge gestalten. Auch diese können sich in ihrer Heimat nicht sicher fühlen: In dem Kleinstaat, der dieselbe Bevölkerungsstruktur wie sein Nachbarland Ruanda aufweist, hat sich der Kampf um die Teilung der Macht zu einem schleichenden, schmutzigen Krieg zwischen Hutu-Guerillas und dem von Tutsi dominierten Militär entwickelt, der fast täglich Opfer unter der Zivilbevölkerung fordert. Der dortige US-Botschafter David Rawson hat nach einem offenbar von Soldaten verübten Massaker die Ereignisse in Burundi jetzt mit denen in Bosnien verglichen: Mit Blick auf den Tod von 37 Menschen bei einem Angriff auf einen Markt in Sarajevo meinte der US- Botschafter, 37 Tote in Bujumbura seien „keine Nachricht“. Die Weltöffentlichkeit nehme die Entwicklung in Burundi „überhaupt nicht zur Kenntnis“. Bettina Gaus