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Wie man in der Slowakei um die Macht kämpft

■ In diesem Herbst könnte die Entscheidung im Kampf zwischen Premierminister Mečiar und Staatspräsident Kováč fallen. Alles begann mit einer Entführung

Prag (taz) – Ein heißer politischer Herbst, der eine Entscheidung im Machtkampf zwischen Staatspräsident Roman Kováč und Premier Vladimir Mečiar bringen sollte, war in der Slowakei von allen Beteiligten erwartet worden. Daß er so schnell beginnen würde, damit hatte kaum einer gerechnet. Bereits am 1. September, dem Verfassungstag der Slowakei, dachte Mečiar laut darüber nach, ob man das Amt des Präsidenten nicht mit dem des Regierungschefs fusionieren sollte. Am gleichen Tag wurde bekannt, daß der Sohn des Staatspräsidenten nach Österreich entführt worden war. Nicht nur die Opposition, sondern auch die Zeitungen in Bratislava vermuteten, daß hinter der vermeintlichen Entführung Mečiar selbst stecke, der so die fast schon vergessenen Machenschaften des Präsidentensohnes in Erinnerung bringen wollte – um dadurch dem Präsidenten selbst zu schaden. Gegen Kováč junior gibt es einen internationalen Haftbefehl, er soll in illegale Geschäfte mit Spielautomaten verwickelt sein.

Am Mittwoch nun kam die Stunde des Präsidenten. In einem Bericht zur Lage der Nation kritisierte er vor dem Parlament in aller Schärfe die Politik seines Widersachers, ohne diesen jedoch persönlich anzugreifen. Im Frühjahr letzten Jahres hatte Kováč mit einem ähnlichen Bericht den Sturz der Regierung Mečiar herbeigeführt. Daraufhin schwor der Gefallene Rache und setzt seit seiner Wiederwahl im Herbst 1994 alles daran, seinen Widersacher aus dem Amt zu drängen. Wie nicht anders zu erwarten, glänzten am Mittwoch Minister und Premier durch Abwesenheit, letzterer entschuldigte sich mit einer Dienstreise in die ostslowakische Provinz.

Die Kritik Kováčs betraf praktisch alle Bereiche des politischen Lebens der Slowakei. Besonders nachhaltig prangerte er jedoch die im Ausland oft übersehene Tatsache an, daß die Regierung Mečiar seit den Wahlen vor neun Monaten ihre Anhänger in allen wichtigen Posten des Staatsapparates sowie auch in Fernsehen und Rundfunk plaziert hat. Dem Kabinett warf Kováč einen Konfrontationskurs vor, der jegliche konstruktive Zusammenarbeit vermissen lasse.

Heftige Kritik übte Kováč auch an der von Mečiar betriebenen Privatisierungspolitik. Noch vor der Sommerpause hatte die Koalitionsmehrheit im Parlament für die Beendigung der Kupon-Privatisierung gestimmt, im Verlauf derer jedeR BürgerIn des Landes die Möglichkeit gehabt hätte, Aktien an Staatsbetrieben zu erwerben. Durch die Entscheidung, die Staatsbetriebe statt dessen durch Verkauf zu privatisieren, werde eine Gruppe der Bevölkerung bevorteilt. Dadurch könne es schon bald zu sozialen Konflikten kommen. Der Präsident hatte das Gesetz zur Beendigung der Kupon- Privatisierung nicht unterschrieben und zur Überarbeitung an das Parlament zurückgewiesen. Doch auch die Kritik im Bericht zur Lage der Nation hinderte die Abgeordneten der Regierungskoalition nicht daran, dem Gesetz noch am gleichen Tag zuzustimmen.

Kovac thematisierte in seiner Rede auch die Entführung seines Sohnes. Dieser sei zum Opfer beispiellosen Banditentums am hellichten Tag geworden. Viel nützen wird ihm und seinem Sohn dieser Hinweis freilich nicht. Mečiar hatte es schon am Vortag abgelehnt, für Kováč junior bei den österreichischen Behörden um Freilassung zu bitten. Zwar verstehe er persönlich den Wunsch des Präsidenten, viele Punkte der Entführung seien ihm jedoch unklar. Im Klartext heißt das: Mečiar versucht nun den Eindruck zu vermitteln, daß die Entführung von Kováč inszeniert wurde. Den Antrag der Opposition, einen Untersuchungsausschuß zur Entführung einzurichten, lehnten die Abgeordneten der Regierung ab. Katrin Bock

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