Kriegsparteien am Verhandlungstisch

Heute treffen in Genf die Außenminister von Bosnien, Kroatien und Rest-Jugoslawien zusammen. Die amerikanische Diplomatie kann noch keine greifbaren Resultate vorweisen  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Vor exakt drei Jahren fand in Genf die erste Verhandlungsrunde der gemeinsamen Jugoslawienkonferenz von UNO und EG statt. Als am 7.9. 1992 Vertreter der bosnischen Regierung, der Serben und Kroaten im UNO-Palast zusammentrafen, ging es um die Sicherheit der Versorgungsstraßen und Luftwege nach Sarajevo. Wenige Tage zuvor hatten die Karadžić- Serben ein italienisches Hilfsflugzeug kurz vor der Landung abgeschossen. Eine Einigung wurde nicht erzielt, weil die bosnischen Serben ihre schweren Geschütze nicht zurückziehen wollten.

Das heutige Genfer Treffen der Außenminister Bosniens, Kroatiens und Ex-Jugoslawiens mit US- Unterhändler Richard Holbrooke und Vertretern der anderen vier Kontaktgruppen-Staaten findet vor einem kaum veränderten Hintergrund statt. Der Flughafen Sarajevo ist wegen serbischer Drohungen seit Ende April geschlossen. Die Stadt steht seit 1.246 Tagen unter Belagerung. Die Angriffe der Nato und der Schnellen Eingreiftruppe erbrachten bislang lediglich die Öffnung der Versorgungsstraße über den Berg Igman.

Die Konferenz heute resultiert in erster Linie aus dem Interesse der Clinton-Administration, dem Kongreß in Washington den Eindruck von Verhandlungsfortschritten zu vermitteln. Clinton will die republikanische Kongreßmehrheit dazu bewegen, die für nächste Woche angesetzte Abstimmung über sein Veto gegen die Aufhebung des im September 1992 über Ex- Jugoslawien verhängten UNO- Waffenembargos zu verschieben.

Doch in der Substanz hat Holbrookes intensive Shuttle-Diplomatie der letzten fünf Wochen kaum Fortschritte erbracht. Die Zustimmung der bosnischen Regierung zur ursprünglichen Karte der Kontaktgruppe, nach der das bosnische Territorium zwischen der muslimisch-kroatischen Föderation und den Karadžić-Serben im Verhältnis 51 zu 49 aufgeteilt werden soll, liegt bereits seit Juni 1994 vor. Die von Holbrooke vorgeschlagenen Veränderungen der Karte (Überlassung der letzten ostbosnischen Enklave Goražde an die Serben sowie Verbreiterung des serbischen Landkorridors bei Brćko) werden von der Regierung jedoch abgelehnt. Die Bereitschaft der Karadžić-Serben, die Karte als „Grundlage für weitere Verhandlungen“ zu akzeptieren, hatte Holbrooke aber nur mit diesen beiden Veränderungen erreicht.

Die Bereitschaft zum Kompromiß ist nur gering

Zudem sollen die Karadžić-Serben eine Konföderation mit Serbien eingehen können, ähnlich der im März 1994 in Washington vereinbarten muslimisch-kroatischen Föderation. Die bosnische Regierung befürchtet damit die endgültige Zerschlagung des Staates Bosnien- Herzegowina. Sie will höchstens eine Autonomie des serbischen Gebiets innerhalb Bosniens zulassen. Die Regierung steht unter starkem Druck der Armee, deren Führung Holbrookes Vorschläge in den letzten Tagen öffentlich mit scharfen Worten zurückgewiesen hat. Um das Genfer Treffen nicht zu gefährden, hat Holbrooke inzwischen den Begriff „Konföderation“ durch „unabhängige, parallele Beziehungen“ ersetzt. Doch nicht nur die Serben bestehen auf der Konföderation. Auch Kroatien verlangt nach Angaben seiner Genfer Diplomaten, daß die Konföderationsvereinbarung ohne Abstriche umgesetzt wird.

Auch in der Frage einer gegenseitigen Anerkennung der ehemaligen jugoslawischen Republiken gab es in den letzten Wochen kaum Bewegung. Serbiens Präsident Slobodan Milošević signalisierte Holbrooke zwar die grundsätzliche Bereitschaft zur Anerkennung Bosniens – unter der Bedingung, daß die Veränderungsvorschläge zugunsten der Karadžić-Serben auch umgesetzt werden. Zur Anerkennung Kroatiens ist Milošević jedoch solange nicht bereit, wie Kroatiens Präsident Tudjman nicht ausdrücklich auf eine militärische Rückeroberung des serbisch besetzten Ostslawoniens verzichtet. Tudjman aber hat die „Befreiung“ Ostslawoniens bis spätestens Ende dieses Jahres angekündigt.

Das heutige Genfer Treffen dürfte sich allenfalls auf Modalitäten für weitere Verhandlungsrunden einigen. Das weiß auch Holbrooke. Langjährige Kenner des stellvertretenden US-Außenministers bescheinigen ihm nicht nur hohe Intelligenz und Sachkunde im Jugoslawienkonflikt, sondern auch ein geradezu „balkanisches Wesen“. Holbrooke sei der erste US-Unterhändler, der den Finten und Tricks aus Belgrad, Zagreb oder Sarajevo gewachsen sei.

All dies läßt Zweifel daran aufkommen, ob die Clinton-Administration tatsächlich ein baldiges Abkommen auf der Basis der Holbrooke-Vermittlung anstrebt. Vielleicht will sie nur einen diplomatischen Rauchvorhang errichten, hinter dem die bosnische Regierungsarmee – möglicherweise mit den kroatischen Streitkräften – serbisch besetzte Gebiete in Nordwest- und Zentralbosnien militärisch zurückerobern kann.